Geheimdienst soll legal hacken dürfen

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will dem Verfassungsschutz eine verlässliche Rechtsgrundlage für das heimliche Ausspähen von Computern geben. SPD-Experte Wiefelspütz ist dafür, fordert aber Schutz für „Schlafzimmer des Computers“

VON CHRISTIAN RATH

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will im Bundesverfassungsschutzgesetz eine Regelung für heimliche Online-Durchsuchungen schaffen. Das erklärte gestern ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage der taz: „Wir brauchen eine verlässliche Rechtsgrundlage“, sagte er. Wie in dieser Woche bekannt wurde, hat der Verfassungsschutz schon seit zwei Jahren aufgrund einer Dienstvorschrift von Schäubles Vorgänger Otto Schily (SPD) Computer-Festplatten von möglichen Verfassungsfeinden ausgespäht.

Zufällig ist dieses Jahr ohnehin eine Novellierung des Bundesverfassungsschutzgesetzes geplant. Dort geht es um die Modernisierung des Datenbanksystems NADIS. „Da würden wir die Online-Durchsuchung gerne draufpacken“, sagte Schäubles Sprecher, „aber nur wenn wir rechtzeitig zu einem konsensfähigen Vorschlag kommen.“

Das könnte schwierig werden. Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD, will für das Festplatten-Ausspähen „sehr hohe Hürden festlegen“, so Wiefelspütz gestern zur taz. Betroffene müssten nachträglich benachrichtigt werden und der Schutz der Privatsphäre – Wiefelspütz spricht vom „Schlafzimmer des Computers“ – müsse gewährleistet sein.

Gegen eine schnelle Regelung spricht schon, dass Wiefelspütz auf das Urteil des Verfassungsgerichts zum NRW-Verfassungsschutzgesetz warten will. NRW ist bisher das einzige Land, das seinem Geheimdienst eine gesetzliche Ermächtigung zum Ausforschen von Computern gegeben hat. Dagegen liegen verschiedene Klagen vor. Auch Wiefelspütz hält das NRW-Gesetz für verfassungswidrig. „Die dortige Regelung ist zu unbestimmt und enthält keine Mechanismen zum Schutz der Grundrechte“, kritisiert er. In Karlsruhe gibt es bisher allerdings keine Anzeichen dafür, dass noch in diesem Jahr mit einem Urteil zu rechnen ist.

Das Bundesamt stützte seine Computer-Ausspähaktionen bisher auf eine unzureichende Grundlage. Mitte 2005 wurde nur eine Dienstvorschrift, die die zulässigen nachrichtendienstlichen Mittel des Bundesamts aufzählt, um einen Punkt „k“ ergänzt. Der Punkt war so wolkig formuliert, dass sich mancher Abgeordnete im Parlamentarischen Kontrollgremium darunter eher die Überwachung von Internet-Chatrooms vorgestellt haben mag als das Mitlesen auf privaten Computerfestplatten.

Die Struktur des Gesetzes macht deutlich, dass schwerwiegende Eingriffe wie dieser nicht über die Dienstvorschrift eingeführt werden können. Schließlich gibt es im Gesetz auch eine explizite Regelung für die Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) durch den Verfassungsschutz. Außerdem verlangt das Grundgesetz für die präventive technische Überwachung von Wohnungen eine richterliche Anordnung. Eine solche ist in der Dienstvorschrift ebenfalls nicht vorgesehen.

Die bisherige Praxis des Verfassungsschutzes war offensichtlich rechtswidrig. Die Geheimdienstler können sich auch nicht darauf berufen, dass die Polizei bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Februar glaubte, die Online-Durchsuchung sei so etwas wie eine Hausdurchsuchung. Der Verfassungsschutz konnte sich auf eine solche (zweifelhafte) Analogie schon deshalb nicht stützen, weil er gar keine Hausdurchsuchungen durchführen darf.

Immerhin hat die Bundesregierung das BGH-Urteil, das eigentlich nur für die Polizei gilt, zum Anlass genommen, auch die rechtswidrige Praxis des Verfassungsschutzes zu stoppen. Wie viele Ausspähaktionen es bisher gab, ist unklar. Es sollen aber sehr wenige gewesen sein.