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Archiv-Artikel

„Weiter so“ in Bremen

BÜRGERSCHAFTSWAHL SPD und Grüne legen deutlich zu. Damit hat Rot-Grün in Bremen eine satte Mehrheit und kann weiterregieren. Die CDU verliert dramatisch – und die FDP fliegt ganz aus dem Parlament

Bremen ist das einzige Bundesland, in dem es noch nie einen Machtwechsel gegeben hat

VON WOLF SCHMIDT

BERLIN taz/dpa | Mit einer Überraschung hatte keiner gerechnet, mit einem so klaren Wahlsieg für SPD und Grüne dann aber vielleicht auch nicht: Bei der Wahl zur Bremer Bürgerschaft haben die Sozialdemokraten am Sonntag laut der ersten Prognose im Vergleich zu 2007 leicht zugelegt und landeten bei 38 Prozent der Stimmen.

Die Grünen legten wie schon zuvor bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erneut deutlich zu und werden mit 23 Prozent zum ersten Mal in der Geschichte des Stadtstaats zweitstärkste Kraft vor der CDU. „Wir freuen uns über die Erfolge“, sagte Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin, der gebürtiger Bremer ist. Man sei aber gerade in Bremen „bodenständig genug, um nicht abzuheben“.

Die Linkspartei schaffte mit 5,5 Prozent knapp den Einzug in die Bürgerschaft, die FDP scheiterte laut Prognose hingegen klar an der Fünfprozenthürde.

Neben den Liberalen ist die CDU mit 21,5 Prozent die Wahlverliererin. Es ist das schlechteste Ergebnis für die Christdemokraten in Bremen seit mehr als 50 Jahren und ein weiterer Dämpfer nach dem Machtverlust in Baden-Württemberg Ende März. Es sei eine „herbe Enttäuschung“, nur den dritten Platz hinter SPD und Grünen erreicht zu haben, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Die Union müsse noch stärker an ihrer „Großstadtkompetenz“ arbeiten.

Alle Beobachter gehen nun fest davon aus, dass Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen von der SPD und die grüne Spitzenkandidatin Karoline Linnert weiterregieren. „Ich habe großen Grund zur Freude und zum Dank, dass die Wähler uns das Vertrauen geschenkt haben“, sagte Böhrnsen am Sonntagabend vor jubelnden Anhängern.

Allerdings schien auch eine grün-schwarze Landesregierung bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe zumindest rechnerisch noch möglich zu sein. Grünen-Spitzenkandidatin und Finanzsenatorin Linnert hatte diese Option jedoch im Vorfeld kategorisch ausgeschlossen – auch wenn dies bedeuten würde, als Bürgermeisterin mit einem christdemokratischen Juniorpartner zu regieren. Ein absurder Gedanke sei das, sagte Linnert im Wahlkampf. „Das wäre doch reine Machtgier.“ Also bleibt wohl alles beim Alten in Bremen: Rot-Grün wird weitermachen.

Die Sitzverteilung in der neuen Bremischen Bürgerschaft sähe laut der ersten Prognose dann so aus: SPD 35, Grüne 22, CDU 20, Linke 5. Die Wählervereinigung „Bürger in Wut“ kann wegen ihres Ergebnisses in Bremerhaven mit einem Mandat in der Bürgerschaft rechnen, die rechtsextreme NPD nicht.

Die Linkspartei wolle in Bremen nun eine starke „soziale Opposition“ bilden, sagte Linksparteichefin Gesine Lötzsch. Denn Rot-Grün bilde dort nun ja „so etwas wie eine große Koalition“.

Die SPD regiert in Bremen schon seit 65 Jahren das Rathaus, seit 2005 unter Führung von Regierungschef Böhrnsen. Der Stadtstaat ist das einzige Bundesland in Deutschland, in dem es noch nie einen Machtwechsel gegeben hat. „18-mal in Folge“ seien die Sozialdemokraten dort nun der Sieger gewesen, jubelte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Sonntag.

Auch der diesjährige Wahlkampf in Bremen war weitgehend unspektakulär verlaufen. Der einzige größere Streitpunkt in dem mit rund 18 Milliarden Euro verschuldeten Stadtstaat war die Finanzpolitik.

Entsprechend niedrig scheint auch das Interesse der Bürger am Tag des Urnengangs gewesen zu sein. Bei der Wahlbeteiligung zeichnete sich am Sonntag ein Negativrekord für Bremen ab, sie sank Prognosen zufolge von 57,6 im Jahr 2007 auf 53,6 Prozent.

Neu bei der Bremen-Wahl war, dass zum ersten Mal in Deutschland auch 16- und 17-Jährige über die Zusammensetzung eines Landesparlaments entscheiden konnten. Wegen weiterer Änderungen im Wahlrecht wird ein vorläufiges amtliches Endergebnis erst für diesen Mittwoch erwartet.