Die vermissten StudentInnen von Iguala

MEXIKO Im Bundesstaat Guerrero, wo es am Wochenende zu Gewalt mit Toten und Verletzten gekommen war, werden 57 der protestierenden StudentInnen vermisst. 22 Polizisten wurden festgenommen

BERLIN taz | Nach den schweren gewalttätigen Angriffen auf Studenten im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero am Wochenende werden noch immer 57 Menschen vermisst. Bundespolizisten, Soldaten und Angehörige der Verschwundenen suchen seither nach den jungen Männern. In der Landeshauptstaat Chilpancingo demonstrierten am Montag Tausende gegen die Vorfälle, bei denen lokale Polizeibeamte und Kriminelle mindestens sechs Menschen getötet hatten. 25 Personen wurden durch die Angriffe in der Provinzstadt Iguala verletzt.

„Die Antwort der Polizisten war nicht angemessen, im Gegenteil, sie war völlig übertrieben“, erklärte der Generalstaatsanwalt von Guerrero, Iñaky Blanco Cabrera, und ließ 22 Polizisten aus Iguala verhaften. Diese sollen am Freitag einen Bus beschossen haben, den Kommilitonen der pädagogischen Hochschule Ayotzinapa „beschlagnahmt“ hatten, um vor den Beamten zu flüchten. Dabei starb einer der Lehranwärter. Später töteten Kriminelle zwei weitere Studenten. Drei Unbeteiligte starben, nachdem Bandenmitglieder das Feuer auf einen Bus eröffnet hatten, in dem die Kriminellen offensichtlich Lehranwärter vermutet hatten. Zudem wurde in Iguala ein Mann gefunden, dem man die Haut abgezogen hat. Auch er soll einer der Studenten gewesen sein, vermuten lokale Medien.

Die Ayotzinapa-Studenten, Professoren und Lehrergewerkschaften sind indes in einen unbefristeten Streik getreten. Tausende Menschen beteiligten sich zudem an der Demonstration in Chilpancingo. Die Demonstranten zerstörten die Fensterscheiben des Parlamentsgebäudes, warfen Brandsätze und sprühten auf Mauern: „Kein Vergeben – kein Vergessen“. Sie fordern Aufklärung über den Verbleib ihrer Mitstreiter und die Absetzung des Bürgermeisters von Iguala, José Luis Abarca. Auch den Gouverneur des Bundesstaates Àngel Aguirre Rivero machen sie für die eskalierende Gewalt verantwortlich.

Da in Guerrero viele Rathäuser von der Mafia kontrolliert werden, ist das gemeinsame Vorgehen von lokalen Polizisten und Kriminellen nicht ungewöhnlich.

Die Ayotzinapa-Studenten gelten als sehr rebellisch, häufig beteiligen sie sich an Aktivitäten gegen Landraub, umweltschädigende Großprojekte oder Korruption. Kriminelle Banden, aber auch Sicherheitskräfte lassen immer wieder Menschen verschwinden. Deshalb ist der Verdacht, dass sich die Kommilitonen in deren Händen befinden, sehr realistisch.

Allein zwischen 2006 und 2012 sind in Mexiko nach offiziellen Zahlen 26.000 Menschen verschwunden. Im vergangenen Jahr waren es mindestens 3.000.WOLF-DIETER VOGEL