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Archiv-Artikel

Transatlantischer Elan

Die Agenda des Gipfels ist groß. Nur bei der Wirtschaftspartnerschaft stehen die Zeichen auf Erfolg

Wie schwierig die transatlantischen Beziehungen bleiben werden, zeigt der Streit um die Flugpassagierdaten

AUS BRÜSSEL UND WASHINGTON DANIELA WEINGÄRTNER UND ADRIENNE WOLTERSDORF

In der amerikanischen Hauptstadt macht ein Wort zurzeit die Runde: „Mörkel-Initiative“. Die US-Regierung ist mit Schwung dabei und fest entschlossen, zum Gelingen der von Bundeskanzlerin Angela Merkel angeschobenen „neuen transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft“ beizutragen. Am Montag soll dazu auf dem jährlichen EU-USA-Gipfel in Washington ein umfassendes Rahmenabkommen unterzeichnet werden. Ebenso wie in Berlin und Brüssel sieht man auch in den USA das Potenzial des Abkommens, das auf beiden Kontinenten das Wirtschaftswachstum kräftig ankurbeln könnte. Die Partnerschaft soll zudem ein neues Symbol für die transatlantische Zusammenarbeit werden und stellt eine gemeinsame Antwort auf die Globalisierung dar.

„Merkels Vision ist sehr wichtig für uns“, sagte in dieser Woche der Vizestaatssekretär im US-Außenministerium, Kurt Volker. Als Beispiel nannte er den Urheberrechtsschutz. Auf diesem Gebiet habe man großes Interesse an einer Kooperation mit der EU. Gemeinsam wollen sich beide gegen Länder wie China wehren, wo Produktpiraten wertvolle Markenprodukte ungestraft kopieren. Bei den sogenannten Leuchtturmprojekten wie beim Automobilbau und bei Medikamenten sollen zudem die Vorteile gemeinsamer Zulassungsvorschriften genutzt werden. Insgesamt sollen Rechtsvorschriften wie zum Beispiel beim Zoll besser aufeinander abgestimmt werden, heißt es. Der Vizepräsident der US-Handelskammer, Gary Litman, hofft, dass „Firmen bald nur noch einmal eine Produktzulassung beantragen müssen – egal ob in den USA oder in der EU“.

Schon heute sind die USA der größte Handelspartner der EU. In Brüssel versprechen sich nun auch frühere Skeptiker der Merkel-Initiative neue Spielräume für den transatlantischen Handel. Von einer möglichen Steigerung des europäischen Bruttosozialprodukts um 3 Prozent spricht etwa der CDU-Obmann im EP-Binnenmarktausschuss, Andreas Schwab. Experten in der Bundesregierung schätzen das Wachstumspotenzial immerhin auf 2,5 Prozent, während sie sich vom Abbau der Zollschranken im Rahmen der Doha-Runde nur 0,3 Prozent Zuwachs versprechen.

Bei allen anderen Themen des Gipfels aber stehen die Zeichen weniger auf Erfolg. Zum Beispiel beim Klimaschutz: Die USA bestehen weiterhin auf ihrem Ansatz, Schadstoffemissionen zu senken, in dem technische Neuerungen gesucht werden, die die Energieeffizienz erhöhen können. Damit bleibt die Administration von US-Präsident George W. Bush meilenweit entfernt von der in Brüssel erhofften Anerkennung von verbindlichen Zielen für den Abbau des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2). Doch die deutschen Verhandler geben sich optimistisch und sprechen von einer „Annäherung“, die das Rahmenabkommen bringen soll. Die Europäer wollen zumindest eine gemeinsame Erklärung zum Klimaschutz durchsetzen. Im Entwurf heißt es, dass „Klimaschutz ein ernstzunehmendes Problem darstellt, das mehr Anstrengungen erforderlich macht – diesseits und jenseits des Atlantiks.“ Künftig sollen wenigstens gleiche Standards für Biotreibstoffe und die Arbeitsweise „sauberer“ Kohlkraftwerke entwickelt werden. Die Diskussion soll auf der Ebene der Unterhändler für den G-8-Gipfel Anfang Juni in Heiligendamm fortgesetzt werden.

Kaum positive Nachrichten gibt es auch von den Verhandlungen über die Öffnung der Finanzmärkte. Die USA teilen die europäischen Bedenken bei Hedge-Fonds nicht. Die EU will außerdem erreichen, dass europäische Unternehmen ungehinderter in den USA investieren dürfen und leichter US-Firmen erwerben können. Washington ist hier jedoch aus Sicherheitsbedenken, zum Beispiel beim Erwerb von Rüstungsfirmen, besonders zurückhaltend.

Wie schwierig die transatlantischen Beziehungen an den neuralgischen Punkten auch in Zukunft bleiben werden, zeigt der ungelöste Streit um den von Washington geforderten Austausch von Flugpassagierdaten. Das Thema sei für Montag nicht einmal auf die Tagesordnung gesetzt worden, heißt es aus Washington. In Berlin hingegen geht man sehr wohl davon aus, dass es zur Sprache kommt. Das Interimsabkommen, das Ende Juli ausläuft, erlaubt es den Luftfahrtgesellschaften, Kundendaten wie Kreditkartennummer oder spezielle Essenswünsche an die US-Heimatschutzbehörde weiterzuleiten. Datenschützer und EU-Parlamentarier kritisieren diese Praxis, da europäische Datenschutzstandards nicht gewährleistet seien. Derzeit wird auf Beamtenebene über ein Folgeabkommen verhandelt.

Auch das VisaWaver-Programm gehört zu den heiklen Punkten, die Europäer unbedingt ansprechen wollen. Die USA haben die Visafreiheit trotz europäischen Drängens nicht auf die zwölf neuen EU-Mitgliedsländer ausgedehnt. Besonders Polen fühlt sich düpiert, da es trotz seiner Bündnistreue im Irakkrieg noch immer keinen visafreien Reiseverkehr für seine Bürger erreicht hat.

Die Erwartungen an den Gipfel sind also auch auf europäischer Seite groß. „Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die gemeinsame Basis, die gelegentlich auf eine harte Probe gestellt wird, einiges aushält,“ erklärte Staatssekretär Gloser am Mittwoch im Europaparlament. Die EU-Abgeordneten aber warnen vor zu großer Euphorie. Sie fürchten, dass eine engere transatlantische Partnerschaft einen weiteren Abbau der bürgerlichen Freiheitsrechte nach sich ziehen könnte. Die Verhandlungen müssten „auf Augenhöhe“ geführt werden, keinesfalls dürfe sich Europa seine strengen rechtsstaatlichen und datenschutzrechtlichen Standards abhandeln lassen, warnten in der Debatte Abgeordnete aus allen politischen Lagern.