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Archiv-Artikel

Stählernes Gehäuse und offene Türen

Ein Streitgespräch über den „Abschied von Multikulti“ enthüllt schwarz-grüne Gemeinsamkeiten

Von SIM

„Bunt macht Bremen stark“ haben sie getitelt, die Grünen. Es geht um Wahlkampf, um die Integration. Es geht um die Stimmen von MigrantInnen, auch. Und es gibt ein Streitgespräch: Cem Özdemir, grüner Europaabgeordneter mit türkischen Vorfahren, gegen Stefan Luft. Der, einst Sprecher von CDU-Finanzsenator Hartmut Perschau und CSU-Mitglied, heute Politologe an der Bremer Uni, predigt in Büchern den „Abschied von Multikulti“. Eine Provokation?

Eher nicht. Luft selbst spricht von einer „Scheindebatte“. Das „reale Problem“, räumt er ein, sei die „Ausgrenzung von Ausbildung und Beruf“, die insbesondere MigrantInnen treffe.

„Das dreigliedrige Schulsystem ist nicht unsere Erfindung“, kontert Özdemir, und dass es noch keine flächendeckenden Ganztagesschulen gebe, sei auch nicht den Grünen zu verdanken. Luft renne offene Türen ein. Die Politik müsse „gleiche Chancen für alle“ hier lebenden Kinder garantieren, fordert Özdemir. Luft nickt.

Differenzen aber bleiben. Etwa bei der „ganz großen Notwendigkeit für Zuwanderer, sich zu assimilieren“, auf der Luft insistiert – ein „totalitärer Anspruch“, wie Özdemir kritisiert. Oder beim Stellenwert der Kultur des Herkunftslandes. Der „Multikulturalismus“, wettert Luft, mache diese zum „stählernen Gehäuse“, das keinen Platz für hiesige Gepflogenheiten und Werte lasse. Er sei „gescheitert, weil er auf das Trennende setzt“. Und immer mehr ZuwanderInnen legten „ein abweichendes Verhalten an den Tag“.

Özdemir dagegen spricht von „hybriden Identitäten“. Notwendig sei eine „Richtschnur für das Zusammenleben“, die sich nicht entlang von Religionen oder Ethnien definiere, sondern an „Werten“. Im Übrigen, fügt Özdemir hinzu, seien auch im Ausland lebende Deutsche kaum bereit, ihren Pass oder bestimmte Verhaltensweisen aufzugeben.

Vor der Tür wendet sich schließlich ein Vertreter eines türkischen Elternvereins an Luft. Man arbeite an „konstruktiven Lösungen“, sagt er, und dass man dafür keine „platten Sprüche“ brauchen könne. Luft widerspricht ihm nicht. SIM