Kein Freund der Regierung

Eisige Stimmung zwischen Regierung und Militärspitze: Der türkische Generalstabschef Yasar Büyükanit wird eher die Panzer rollen lassen, als einen Präsidenten der islamisch orientierten AKP zu akzeptieren

Im Streit über die Neuwahl des türkischen Präsidenten hat die EU die politisch Verantwortlichen zur Besonnenheit aufgerufen. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft verfolge die Entwicklung in der Türkei mit großer Aufmerksamkeit, hieß es in einer in Berlin veröffentlichten Erklärung. Die EU erwarte, dass alle politisch Verantwortlichen ihren Beitrag dazu leisten, dass die Wahlen entsprechend den Regeln der Verfassung stattfinden. Insbesondere erwarte die Ratspräsidentschaft, dass die Wahlen und das Verfassungsgericht „nicht durch äußeren Druck“ beeinflusst werden. AFP

ISTANBUL taz ■ Bereits Monate bevor Yasar Büyükanit im August vergangenen Jahres neuer Generalstabschef der türkischen Streitkräfte wurde, wusste die Türkei, dass mit diesem Mann wieder ein harter Ton beim Militär einkehren würde. Als Agenten des militärischen Geheimdienstes im letzten Frühjahr einen Anschlag auf den Buchladen eines Mannes verübten, der vorher als PKK-Militanter im Gefängnis gesessen hatte, ließ Büyükanit verlauten, er kenne einen der Agenten, das sei ein guter Mann.

Seit er dann, als ehemaliger Chef des Heeres, im August turnusgemäß Generalstabschef wurde, ließ er gleich durchblicken, dass es mit der politischen Zurückhaltung, die sein Vorgänger Hilmi Özkök vier Jahre lang gepflegt hatte, nun vorbei sei. Das türkische Militär sei Hüter der laizistischen Republik, und mit ihm an der Spitze werde es diese Aufgabe ernst nehmen, signalisierte Büyükanit an die Adresse der Regierung.

Seitdem ist die Stimmung zwischen Regierungschef Erdogan und der Militärspitze eisig. Erdogan hätte eine Ernennung Büyükanits sicher gerne verhindert, er konnte es aber nicht, weil er damit das gesamte Militär sofort gegen sich aufgebracht hätte. In der Folge gab es einen Konflikt nach dem anderen. Außer in der Frage der Versöhnung mit Griechenland ist Militärchef Yasar Büyükanit fast immer anderer Meinung als die Regierung. Er ist skeptisch gegenüber der EU, will in der Zypernfrage keinerlei Kompromiss mehr machen und würde, wie er erst vor einigen Wochen öffentlich erklärte, im Nordirak lieber heute als morgen einmarschieren, um den kurdischen Separatisten der PKK, die dort ihre Lager haben, den Hals umzudrehen. Während Erdogan und Außenminister Gül sich um diplomatischen Druck auf die irakischen Kurdenführer Massud Barsani und Dschelal Talabani bemühten, um zu erreichen, dass diese selbst gegen die PKK vorgehen, ließ Büyükanit verlauten, mit Leuten, die die Terroristen unterstützen, gebe es nichts zu reden.

Noch vor wenigen Wochen hätte es in der Türkei aber trotzdem kaum noch jemand für möglich gehalten, dass das Militär noch einmal offen mit einem Putsch drohen könnte. Zuletzt hatte das türkische Militär im September 1980 regelrecht geputscht und selbst die Regierung übernommen. Danach kam es 1996 noch einmal zu einem sogenannten postmodernen Putsch, als das Militär durch massiven Druck die damalige Regierung des Islamisten Erbakan stürzte, ohne jedoch mit Waffengewalt zu intervenieren.

Auch jetzt wird die Drohung wohl ausreichen, dass die Wahl Güls zum nächsten Präsidenten der Türkei zunächst ausgesetzt wird. Doch Büyükanit – so viel hat er nun allen klargemacht – wird eher die Panzer rollen lassen, als einen Präsidenten der islamisch orientierten AKP zu akzeptieren. JG