Kunstrundgang : Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um
Die massive rote Hand mit ihrem aggressiv ausgestreckten Zeigefinger kann nichts Gutes bedeuten. Jedenfalls nicht für die Gestalt in der Ku-Klux-Klan-Kapuze, die sich von der raumgreifenden Pratze ganz schön in die Ecke gedrängt sieht. Der böse Klansman freilich, den der Arm der politischen und moralischen Zurechtweisung am Schlawittchen hat, ist nur das Alter Ego des Künstlers, von dem das Bild stammt. Natürlich ist er kein Rassist. Er ist nur Raucher – wie die dicke Zigarre in seiner kleinen roten Hand zeigt. Es wäre nun aber vollkommen falsch zu glauben, „Scared Stiff“ stamme aus diesem Jahr. Tatsächlich hat es Philip Guston, obwohl er damals von Political Correctness und vom Untermenschentum der Raucher noch gar nichts wissen konnte, schon 1970 gemalt.
In genau diesem Jahr hatte der 1913 in Montreal geborene Maler, der als bedeutender Protagonist des Abstract Expressionism etwa 1960 die Vereinigten Staaten auf der Biennale in Venedig vertreten hatte, die New Yorker Kunstwelt skandalisiert und Sammler wie Kritik auf Jahre hin verprellt. Vollkommen unvorbereitet hatten sich die Besucher seiner Ausstellung in der Marlborough Gallery mit einer rohen, ungeschlachten, fast karikaturhaften, dabei aber unleugbar anmutigen wie vitalen, figurativen Malerei konfrontiert gesehen.
Die Wirkung, die sein Spätwerk allerdings nach seinem Tod 1980 entfaltete, ist nicht hoch genug einzuschätzen. Sein vorzeitiges, radikales Vorpreschen „back to the future“ setzte die Wegmarke für die postmoderne Wiederkehr der figurativ-narrativen Malerei in den 80er-Jahren. Aurel Scheibler zeigt nun vier Ölgemälde und vier Papierarbeiten aus dem Spätwerk, Material genug für eine unbedingt sehenswerte Ausstellung. Selten ist etwa so gut zu sehen, wie Form direkt zur Aussage wird. Borstig die Form, widerborstig der Sinn.
Bis 28. Juni, Philip Guston, Paintings, Galerie Aurel Scheibler, Witzlebenplatz 4, Di.–Fr. 10–13 und 15–18 Uhr, Sa. 11–16 Uhr