: „Immer mehr O-Platzleute sind obdachlos“
DER UMTRIEBIGE Ohne Oranienplatz hat der Flüchtlingsprotest keine Machtbasis mehr, sagt Kokou Theophil Ayena, 32, aus Togo. Immerhin: Der Asylkompromiss sei ein „kleiner Erfolg“ der Bewegung
Kokou Theophil Ayena hat Glück gehabt. „Ich habe eine Duldung bekommen“, sagt er und muss grinsen: „Mit dem Oranienplatz hat das nichts zu tun. Aber sie können mich nicht nach Togo abschieben.“ Sobald er darf, wird er arbeiten und seine Mutter besuchen fahren, die er elf Jahre nicht gesehen hat.
2003 floh Ayena aus Togo nach Deutschland, weil er um sein Leben fürchtete. Er hatte an Demonstrationen gegen den Diktator teilgenommen. „Viele aus der Opposition wurden verhaftet“, erzählt er. In Deutschland erwarteten ihn schwere Zeiten: Asylantrag, Ablehnung, Duldung, Anordnung der Abschiebung. Acht Jahre Leben in Asylbewerberheimen, Ayena nennt sie, wie viele Flüchtlinge, „Lager“.
Der 32-Jährige hat die lange Zeit des erzwungenen Untätigseins wohl deshalb so gut überstanden, weil er nicht untätig war. 2006 schloss er sich der Flüchtlingsselbstorganisation The VOICE Refugee Forum an, die dieser Tage 20. Geburtstag feiert. Als er 2012 nach Togo abgeschoben werden soll, geht er mit anderen Aktivisten von Hamburg nach Berlin und gründet mit Flüchtlingen aus allen Teilen Deutschlands das Protestcamp am Oranienplatz.
Hier übernimmt Ayena im Laufe der Zeit eine zentrale Rolle: Er ist Teil der Mediengruppe, kocht, übersetzt. Er macht Theater und Musik, gründet mit den Lampedusa-Flüchtlingen, die ab Herbst 2013 verstärkt ins Camp ziehen, eine Fußballgruppe. Dennoch kommt es zu Konflikten zwischen den Flüchtlingen aus Italien und den Gründern des Camps, den Asylbewerbern. Letztere kämpfen gegen Residenzpflicht, Lager und Arbeitsverbot, die Lampedusa-Leute wollen vor allem ein Dach überm Kopf und Arbeit. „Der Senat hat uns gespalten“, sagt Ayena. „Senatorin Dilek Kolat hat sich Lampedusa-Leute geholt, die das Einigungspapier unterschrieben haben.“
Nun sei die Bewegung am Ende, resümiert Ayena: Der Platz als Machtzentrum weg, die Flüchtlinge verstreut, keiner, den er kennt, hat Papiere bekommen. „Immer mehr Flüchtlinge sind obdachlos, wissen nicht wohin.“ Auch er selbst hat nur für ein paar Wochen ein Zimmer bei Unterstützern. Die Duldung, die er nun hat, bekam er nicht von der Berliner Ausländerbehörde, sondern in Rostock, wo man für seinen Fall zuständig ist.
Einen kleinen Lichtblick gibt es immerhin: Der jüngst im Bundesrat erzielte Asylkompromiss sei schon ein „kleiner Erfolg“ der Flüchtlingsbewegung, findet er. „Wenn sie wirklich die Residenzpflicht abschaffen, wäre das schon was.“ Ayena muss es wissen: Weil er ein Bußgeld wegen Residenzpflichtverletzung nicht gezahlt hatte, wurde er kürzlich in der Berliner Ausländerbehörde verhaftet. „Einen Tag war ich im Gefängnis, zum ersten Mal in Deutschland!“ Bis am nächsten Morgen ein Freund kam und bezahlte: 552 Euro Strafe. SUSANNE MEMARNIA