: Tränengas und Festnahmen zum 1. Mai
Bei einer Kundgebung der Gewerkschaften kommt es in Istanbul zu Zusammenstößen mit der Polizei
ISTANBUL taz ■ Hunderte festgenommene Demonstranten, ein riesiges Polizeiaufgebot und Scharfschützen auf den Dächern machen die Anspannung deutlich, die derzeit in der Türkei herrscht. Mit Tränengas und Schlagstöcken ist die Polizei in Istanbul am Dienstag gegen linke Gruppen und Gewerkschafter vorgegangen, die trotz eines Verbots auf dem Taksim-Platz im Stadtzentrum demonstrieren wollten. Bei den Ausschreitungen wurden nach Polizeiangaben nahezu 700 Menschen festgenommen, darunter knapp 200 Frauen. Die Demonstranten hatten an den 30. Jahrestag des „blutigen“ 1. Mai 1977 erinnern wollen, an dem 28 Menschen starben, nachdem rechtsradikale Täter in die Menge auf dem Platz geschossen hatten. Das Attentat war der Auftakt zu den bürgerkriegsähnlichen Unruhen, die nach drei Jahren im September 1980 in einen Militärputsch mündeten.
Auch gestern war von einer friedlichen Gedenkkundgebung schon am frühen Morgen nicht viel zu spüren. Nachdem die Kundgebung zunächst genehmigt worden war, kamen den Verantwortlichen angesichts der Spannungen, die wegen Putschdrohungen und Präsidentenwahl derzeit das Land völlig aufwühlen, dann doch Bedenken. Dienstag früh erließ der Gouverneur dann ein Verbot der Demonstration.
Tausende Demonstranten, die sich in Besiktas, einem Viertel auf der europäischen Seite Istanbuls, trotz Verbot Richtung Taksim-Platz losmarschieren wollten, wurden anschließend von der Polizei eingekesselt. Dabei kam es zu ersten Auseinandersetzungen, die Polizei setzte Tränengas ein und nahm etliche linke Protestierer fest.
Nach langen Verhandlungen wurde einem Teil der Gewerkschafter erlaubt, eingerahmt von Polizeihundertschaften den Hügel zum Taksim-Platz hinaufzumarschieren. Dort legten sie, immer noch eingekesselt von der Polizei, einen Kranz und Blumen nieder. Anschließend kam es in der vom Taksim-Platz abgehenden Fußgängerzone erneut zu Auseinandersetzungen, weil die Polizei mit einem enormen Aufgebot bis zuletzt den Platz abschirmte. Dabei ging die Mai-Demonstration über in eine Antiregierungsdemonstration, bei der der Rücktritt von Premier Erdogan gefordert wurde. JG