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Archiv-Artikel

Keine Arbeitserlaubnis für Sinti und Roma

In Bremen klagt eine Roma auf Gleichbehandlung mit jüdischen Zuwanderern. Sie will als Nachkomme der Opfer des NS-Regimes eine Arbeitserlaubnis ohne Vorrangprüfung. Die Innenbehörde hält das für „willkürlich und abwegig“

Sinti und Roma klagen in Bremen darauf, als Nachkommen der Opfer des NS-Regimes, Arbeitserlaubnisse ohne Vorrangprüfung zu erhalten. In einem konkreten Rechtsstreit, der der taz vorliegt, klagt eine aus dem Kosovo stammende Roma auf Gleichbehandlung mit jüdischen Zuwanderern. „Es ist gut, dass Juden in Deutschland keine Vorrangprüfung über sich ergehen lassen müssen“, sagt ihr Rechtsanwalt Jan Sürig. „Das gleiche Recht muss aber auch anderen Nachfahren von Verfolgten des NS-Regimes zustehen.“ In einem Rechtsbescheid des Bremer Innensenators Thomas Röwekamp (CDU) heißt es dazu: „Die Bildung einer Analogie zugunsten der Volksgruppe der Roma ist willkürlich und abwegig.“

Bei einer Vorrangprüfung kontrolliert die Bundesagentur für Arbeit, ob eine konkrete Beschäftigung auch von Deutschen, EU-AusländerInnen oder anderen Personen mit Arbeitserlaubnis erledigt werden kann. Nur wenn dies nicht der Fall ist, erhält die AntragsstellerIn eine Arbeitserlaubnis.

Rechtsanwalt Jan Sürig ist angesichts des Bescheids aus der Innenbehörde empört. Schließlich sei es unstrittig, dass Sinti und Roma ebenso wie Juden zu den Opfern der Nazis gehören. Für Sürig wird damit das erlittene Unrecht einer ganzen Volksgruppe geleugnet. Er rät Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) zum Geschichtsunterricht.

1943 sorgte ein Erlass von Heinrich Himmler dafür, dass Zehntausende Sinti und Roma von zentralen Sammelstellen in das Vernichtungslager Auschwitz transportiert wurden. Die meisten der Deportierten starben dort. Die zentrale Sammelstelle für Nordwestdeutschland war in Bremen.

Britta Ratsch-Menke vom Flüchtlingsrat Bremen hält die Formulierung der Innenbehörde daher auch für „vorsichtig gesagt sehr unglücklich“. Es sei typisch für den Umgang mit Sinti und Roma, dass ihre Verfolgungsgeschichte nur randständig wahrgenommen oder sogar völlig geleugnet wird. Anders als bei Juden gebe es kein öffentliches Bewusstsein für einen sensiblen Umgang mit der Geschichte. „Es gibt eine starke Verdrängung der Schuld bei gleichzeitigem Festhalten an diskriminierenden Vorurteilen gegenüber Sinti und Roma“, sagt Britta Ratsch-Menke. Vor dem Problem einer fehlenden Arbeitserlaubnis stünden fast alle Sinti und Roma, die sie berät. Denn nur wer eine Arbeitsstelle hat, kann auf das Bleiberecht hoffen.

Rechtsanwalt Jan Sürig wird weiter auf Gleichbehandlung beharren. Gegen den Bescheid des Innensenators legte er Widerspruch beim Verwaltungsgericht Bremen ein. Die Innenbehörde wird dagegen auch zukünftig bei ihrer Linie bleiben. Die Härtefallregelungen, die einen Verzicht auf dieVorrangprüfungen begründen, ließen keinen Spielraum zu, sagte ein Sprecher. Die politische Verantwortung dafür liege beim Bundesarbeitsministerium. Die inhaltliche Bewertung des Anliegens der Roma als „willkürlich und abwegig“ werde in der Bremer Behörde zukünftig aber nicht weiter als „Standardformulierung“ benutzt.PATRICK EHNIS