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Archiv-Artikel

Sprungtücher unter Rasterlöchern

Von kreativen Priestern und kleinen Brüdern, Bürgerrechtlerinnen und R.E.M.: Das Filmfest „Black International Cinema“ zeigt sich engagiert

VON ANDREAS RESCH

Hin und her gerissen zwischen der Leichtigkeit eines von Alkohol, Marihuana und schnellem Sex geprägten Partylebens und dem Wunsch, seiner Existenz einen tieferen Sinn zu geben, stolpert Scottie von einer absurden Situation in die nächste. Ein Besuch bei seinen Eltern bereichert den afroamerikanischen Studenten um den Ratschlag, sich doch bitteschön eine hellhäutige Freundin zuzulegen. Im „Black History“-Unterricht halten sämtliche weiße Mädchen Referate über Martin Luther King, und im Gottesdienst, wo der junge Mann seine Sonntage verschläft, erhebt ein durchgeknallter Priester neue Pluralformen zur Kunst.

Seiner Neuschöpfung „I knows somebodies who can make all things possibles!“ verdankt die Coming-of-Age-Komödie „Somebodies“ ihren Titel. Gezeigt wird der US-amerikanische Film auf dem „XXII. Black International Cinema“ – neben weiteren Filmen aus den USA, aus Jamaika oder dem Iran; auch zahlreiche Vorträge und Performances gibt es zu sehen. Dabei hat es sich das Festival zum Ziel gesetzt, „einen Beitrag zur Kooperation zwischen Menschen verschiedener kultureller, ethnischer und religiöser Hintergründe zu leisten und dabei Vorurteile abzubauen“.

Diesem Anspruch wird „Somebodies“ durchaus gerecht, ist der Film doch erkennbar von dem Wunsch geprägt, Klischees aufzubrechen. So hört Scottie statt Hiphop lieber „Everybody Hurts“ von R.E.M.. Da der Film ansonsten jedoch zwischen niveaulosen Blödeleien und dem ernsthaften Anspruch schwankt, den Alltag eines Mittelklasse-Afroamerikaners in realistischer Weise darzustellen, kann er nicht gänzlich überzeugen.

Gelungener ist „It’s Not You, It’s Me“ – ein Film, in dessen Zentrum das chaotische Liebesleben junger Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft steht. Da ist Nawja, die nicht weiß, ob sie ihren Freund Sundeep tatsächlich heiraten soll, weil sie dann ihren Liebhaber, den Schriftsteller Yonus, aufgeben müsste. Der wiederum versucht sich durch ständig wechselnde Affären von seiner Schreibblockade zu kurieren. Myrrh schließlich hat ihre Ansprüche an eine funktionierende Partnerschaft gänzlich zurückgefahren und lässt sich auch von ihrem Liebhaber Yonus nur für kurze Zeit aus ihrem Schneckenhaus herauslocken. „It’s Not You, It’s Me“ ist ein ungewöhnlicher Film, der weniger wegen seiner Handlung als vielmehr durch seine einfühlsame und genaue Art der Beobachtung überzeugt. Dabei ist es Regisseur Malik Isasis gelungen, genau jene flüchtigen Augenblicke einzufangen, in denen Fremdheit unvermittelt in Vertrauen umschlägt.

Wie es sich für ein Festival mit politischem Anspruch gehört, gibt es auch gesellschaftskritische oder zumindest thematisch relevante Dokumentationen zu sehen – einige gute und einige weniger gute. In „The Edge Of Each Other’s Battles“ wird das Lebenswerk der 1992 verstorbenen Bürgerrechtlerin und Dichterin Audre Lorde gewürdigt, die sich selbst einmal als „black lesbian feminist mother poet warrior“ bezeichnet hat. Über zahlreiche Mitschnitte ihrer emotionsgeladenen Reden und Berichte ihrer damaligen Weggefährtinnen bekommt man im Verlauf des Films den Gesamteindruck einer faszinierenden Frau, der es gelang, Menschen, die in der Gesellschaft kaum eine Stimme haben, den Mut zur Artikulation zu geben.

Andere Dokumentarfilme können leider weit weniger überzeugen. So wirken einige Beiträge in „Portraits of Black Chicago“ wie lieblos produzierte Werbespots aus dem Regionalfernsehen – etwa wenn ein sanft säuselnder Sprecher einen örtlichen Radiosender in allerhöchsten Tönen lobt oder sich ein Clip zum „African Festival of the Arts“ in schwülstigem Ethnokitsch ergeht.

Sehenswert wiederum ist die Kurzdokumentation „The Cole Nobody Knows“ über den wenig bekannten Bruder Nat „King“ Coles – den Pianisten und Sänger Freddy Cole. Darin loben Musikerkollegen wie Monty Alexander Coles Talent. Der wiederum erzählt, dass er eigentlich viel lieber Football-Profi geworden wäre. Dieser kleine, sympathische Film steht exemplarisch für ein Festival, dessen Beiträgen es – trotz mitunter schwankender Qualität – zumeist gelingt, einen interessanten, weil eigenwilligen Blickwinkel einzunehmen und dabei ebenjene Dinge zu zeigen, die allzu oft durch das Raster unserer Wahrnehmung fallen.

3.–6. 5., Nickelodeon Kino, Torstr. 216, www.black-international-cinema.com