: Eigentor in Karlsruhe?
Gebührenklage von ARD und ZDF: Vor dem Bundesverfassungsgericht kritisieren die Sender den Einfluss der Politik bei der letzten Gebührenerhöhung – und erreichen vermutlich das Gegenteil
AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH
Möglicherweise muss die Festlegung der Rundfunkgebühren bald neu geregelt werden. Vor dem Bundesverfassungsgericht deutete sich gestern an, dass die Politik künftig mehr Einflussmöglichkeiten auf die Gebührenhöhe bekommen soll. Geklagt hatten ARD, ZDF und Deutschlandradio, die derzeit mehr als 7 Milliarden Euro für ihre öffentlich-rechtlichen Programme erhalten. Sie fanden, dass die letzte Erhöhung der Rundfunkgebühr 2004/2005 „aus sachfremden Gründen“ zu gering ausgefallen sei. Dadurch seien ihre Verfassungsrechte verletzt worden.
Damals hatte die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) eine Erhöhung der Gebühren um 1,09 Euro empfohlen. Doch das war unpopulär. Manche Ministerpräsidenten wie Edmund Stoiber (CSU) aus Bayern forderten sogar eine Nullrunde für die öffentlich-rechtlichen Sender. Die Länder reduzierten schließlich die Erhöhung auf 88 Cent. Seitdem beträgt die Rundfunkgebühr 17,03 Euro pro Monat.
Gegen Privatkonkurrenz
ARD und Co. geht es ums Prinzip. Sie wollen, dass die Länder von den KEF-Empfehlungen nicht abweichen. Die Sender berufen sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994. Damals wollte Karlsruhe sicherstellen, dass der Gebührenbedarf rein sachlich festgestellt wird und die Ländern nicht über die Gebührenschraube unter der Hand medienpolitische Ziele verfolgen – zum Beispiel zugunsten der privaten Konkurrenzsender. Die Länder sollten, so das Urteil von 1994, von den KEF-Vorgaben deshalb nur abweichen können, wenn die Höhe der Gebühr sonst den Informationszugang behindert oder die Nutzer übermäßig belastet.
Auf Letzteres beriefen sich gestern am einzigen Verhandlungstag die Länder. „Damals wurden die Renten nicht erhöht, im öffentlichen Dienst wurden Gehälter abgesenkt und es gab immer mehr Arbeitslose“, erinnerte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) an die Situation vor zwei Jahren: „Im Interesse der Bürger haben wir die Rundfunkgebühren deshalb weniger stark erhöht als empfohlen.“
„Keine Denkverbote“
Doch der Rechtsvertreter der ARD, der Kölner Professor Fritz Ossenbühl, sah keinen Grund für einen derartigen Schutz der Bürger: „Es geht hier doch nicht um die Höhe der Müllgebühren. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist für die Demokratie existenziell.“ Sein Kollege Gunnar Folke Schuppert argumentierte für das ZDF etwas moderater: „Die Länder können nicht einfach bestimmen, was sie für zumutbar halten, denn sie haben nur eine Missbrauchskontrolle, um exorbitante Gebührensteigerungen zu verhindern. Ein solcher Fall lag aber nicht vor.“
Vermutlich wird beides die Richter nicht überzeugen. Die Klage der öffentlich-rechtlichen Sender dürfte daher abgewiesen werden – und nicht nur das: Möglicherweise haben die Sender mit der Klage sogar ein „Eigentor“ geschossen, wie Kurt Beck, der zugleich Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder ist, den Intendanten in einer Pause erregt zurief. Die Richter deuteten nämlich an, dass sie ihr Urteil von 1994 weiterentwickeln und den Gestaltungsspielraum der Politik wieder erhöhen könnten.
„Wir unterliegen keinen Denkverboten“, betonte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier. So schlug ausgerechnet Richter Wolfgang Hoffmann-Riem, sonst ein bekennender Freund der Öffentlich-Rechtlichen, eine Stärkung des Staatseinflusses vor. Die Politik könne auch die „Akzeptanz“ der Rundfunkgebühr im Blick haben. Für den Deutschlandfunk warnte daraufhin Rechtsanwalt Gernot Lehr vor einer „grenzenlosen Politisierung der Gebührenentscheidung“.
Das Urteil wird für den Herbst erwartet.