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Archiv-Artikel

Bio wächst wie Unkraut

Immer mehr und immer größere Bioläden sprießen aus dem Boden. Zum Leidwesen der kleinen Märkte, die sich durch die Konkurrenz bedroht fühlen. Und der Bauern, denn auch die Engpässe in der Produktion werden immer größer

Das Geschäft mit Bio boomt. Und dementsprechend sprießen Bioläden an allen Berliner Ecken aus dem Boden. Mehr als 200 Bioläden gibt es in der Stadt, die die Nachfrage der Ökogesellschaft befriedigen, und es werden jedes Jahr mehr. „Alleine im vergangenen Jahr wuchs der Bio-Marktanteil in Berlin um 18 Prozent“, sagt Klaus Fischer, Referent beim Handelsverband Berlin-Brandenburg. Aber nicht nur Angebot und Nachfrage an Bioprodukten steigen, sondern auch die Größe der Geschäfte nimmt zu.

Bioläden mit einer Verkaufsfläche von mehr als 200 Quadratmetern haben derzeit einen Marktanteil von zehn Prozent. „Tendenz steigend“, sagt Fischer. Zum Nachteil von kleinen, inhabergeführten Bioläden. Die fühlen sich durch die Biosupermärkte, wie die LPG oder die Bio Company, bedroht. „Denn die Ketten beziehen ihre Ware in Mengen günstig beim Großhandel, die kleineren Läden meist in geringen Stückzahlen direkt bei Winzern, Landwirten oder in Molkereien“, erklärt Jan Pörksen, Branchenkoordinator Handel bei der IHK Berlin.

Auch der kleine Bioladen Lilla in Charlottenburg kämpft gegen die große Konkurrenz. „Seitdem die LPG den Laden am Kaiserdamm eröffnet hat, kaufen viele unserer alten Stammkunden dort ein“, sagt Mitarbeiterin Ulrike Kurz. Da sie im Laden viele Produkte nicht zu den Preisen anbieten könnten, wie es beispielsweise die Bio Company oder die LPG könnten.

„Wir müssen also mit etwas punkten, was die Großen nicht im Programm haben“, sagt Kurz. Dazu gehört, dass die Kundschaft zehn Prozent Mengenrabatt erhält und die Mitarbeiter für sie auf Wunsch außergewöhnliche Produkte bestellen, die es sonst nicht im Laden gibt.

Gesa Kamprad hingegen hat keine Angst vor den großen Bio-Supermärkten. Sie betreibt den winzigen Naturkostladen „Rübezahl“ in Neukölln, wo es kaum Biokonkurrenz gibt. Lediglich die Supermärkte in den Neukölln-Arkaden, die mittlerweile auch Bio anbieten würden, hätten in der Vergangenheit einige Kunden weggelockt. Aber das sei nicht der Rede wert. Kamprad setzt auf den persönlichen Kontakt und hochwertige Naturkost, die sie beim Direktvermarkter oder beim Großhandel kauft.

Mit denen haben die großen Biosupermärkte derzeit hin und wieder Probleme. Denn es gibt nicht genügend Ware. „Viele Produkte werden auf dem Markt knapp, was wiederum zu höheren Preisen führt oder dazu, dass die Hersteller ihre Produktion umstellen müssen“, sagt Pörksen. Angesichts der riesigen Nachfrage ist bei den Produzenten Eile geboten.

Auch vor einigen Jahren war das bereits der Fall: Der BSE-Skandal ließ in Berlin die Nachfrage schlagartig um 30 Prozent steigen. „Artgerechte Tierhaltung, geringe Schadstoffbelastung, gesunde Ernährung“, laut Ökometer 2007 lauten so die drei Hauptargumente für den Kauf von Biolebensmitteln. Und dafür geben die Käufer gerne mehr Geld aus. Auch weil sie wissen, dass die Produktion aufwendiger ist. Doch Bio muss nicht immer mehr kosten als normale Ware. Vergleiche mit teuren konventionellen Marken ergaben: Biomilch, Biospaghetti, Biomarmelade und Bioapfelsaft sind zum Teil günstiger. Und vergleicht man die Preise in den kleinen Bioläden mit denen in den Biosupermärkten, ist auch nicht jedes Produkt teurer.

SVEN KULKA