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Archiv-Artikel

Das Ende des Systems Bajramaj

CHAMPIONS-LEAGUE-FINALE Beim 0:2 gegen Lyon wird deutlich, dass das Potsdamer Modell an seine Grenzen stößt

Schröder muss irgendwie zum Teamfußball zurückkehren, mit dem er vor der Verpflichtung Bajramajs schon erfolgreich war

AUS LONDON ANDREAS RÜTTENAUER

An Fatmire Bajramaj hat es nicht gelegen. Das stellte Bernd Schröder, der Trainer von Turbine Potsdam, nach dem Abpfiff unmissverständlich klar. „Sie war eine der Besseren“, sagte er nach der 0:2-Niederlage im Champions-League-Endspiel. Die Titelverteidigung ist misslungen. Zum erstem Mal hat ein französischer Klub den Cup gewonnen. Warum Potsdam diesmal nicht so recht hat mithalten können, das wollte Schröder nicht erklären. Seine schlichte Analyse: „Das sind Dinge, die passieren können.“ Und viel schlechter sei seine Mannschaft nicht gewesen, immerhin habe man sich nicht „abschlachten“ lassen. Unglückliches 0:1, Unvermögen im Abschluss und so.

Schröder tat so, als habe er ohnehin seit Wochen Besseres zu tun, als an die Champions League zu denken. Er arbeitet schon an der nächsten Spielzeit. „Da werden wir einen anderen Stil spielen“, kündigte er an. Und schon war er wieder beim Thema Bajramaj. Auf sie war in den vergangenen zwei Jahren das Spiel von Turbine fokussiert. Die Kreativspielerin durfte so etwas wie einen offensiven Freigeist geben. Beim Spiel nach vorne war es oberstes Ziel, irgendwann den Ball zu ihr zu spielen. Es war kein besonders komplexes System, aber es hat gereicht für die ganz großen Titel – bis zum Donnerstag. In der nächsten Saison spielt Bajramaj beim 1. FFC Frankfurt, und Schröder muss irgendwie zum Teamfußball zurückkehren, mit dem er vor der Verpflichtung Bajramajs schon erfolgreich war.

Für ihn wird es darum gehen, die Wettbewerbsfähigkeit seiner Idee vom Frauenfußball als Amateursportart unter Beweis zu stellen. Die Berater, die auch die Frauenszene mehr und mehr aufmischen, nennt er schon einmal „Pharisäer“. Bajramajs Manager Dietmar Ness musste sich so bezeichnen lassen. Er hat den Wechsel seiner wertvollsten Spielerin nach Frankfurt eingefädelt und daran sicher gut mitverdient. Von einem fünfstelligen Monatsgehalt ist die Rede und einem Handgeld von 100.000 Euro. Bajramaj soll in Frankfurt nicht nur gut spielen, sie soll auch Sponsoren anlocken. Dass ihre vielen Termine zur Selbstvermarktung ihre fußballerische Weiterentwicklung nicht gerade befördert haben, das hatte Schröder Bajramaj vor den Finale noch vorgeworfen. Seit sie das frauenfußballerische Gesicht des Sportartikelherstellers Nike ist, war sie mitten in der Saison zu Dreharbeiten und Werbeterminen in Madrid, Miami und Kapstadt. Jetzt ist sie in Frankfurt. Schröder ist dennoch optimistisch.

Doch das Potsdamer Modell, mit regionalen Kleinsponsoren großen Sport zu inszenieren, hat nicht nur gegen das „Frankfurter Großkapital“ (Schröder) zu kämpfen. Das Finale von London, zu dem 15.000 Menschen in das uralte Stadion des FC Fulham an die Themse gekommen waren, hat gezeigt, dass es schwer werden wird, wenn die großen Klubs des Männerfußballs ihre Frauenabteilungen päppeln. Neun französische Nationalspielerinnen hatte Trainer Patrice Lair gegen Potsdam aufbieten können, dazu die schwedische Ausnahme- und Auswahlspielerin Lotta Schelin sowie die Schweizer Frauenfußballikone Lara Dickenmann, die fünf Minuten vor Ende der Partie das entscheidende 2:0 geschossen hat. Sie haben dafür gesorgt, dass der mächtige Klubboss der Franzosen, Jean-Michel Aulas, den ersten Europapokal für Olympique Lyon feiern konnte. Die Männer sind zwar seit 15 Jahren immer für einen Europapokalwettbewerb qualifiziert, gewonnen haben sie indes noch keinen. „Die Geduld hat sich ausgezahlt“, sagte Aulas im Augenblick des Triumphs und lobte sich selbst für seine Hartnäckigkeit. Sein großes Engagement für den Frauenfußball haben im Klub nicht immer alle verstanden. Jetzt darf er sich feiern lassen als einer, der dem darniederliegenden französischen Fußball ein Stück internationale Anerkennung zurückgegeben hat.

Die französischen Spielerinnen im Team wollen nun mehr davon. „Das gibt uns Rückenwind auch für die WM in Deutschland“, sagte die ballsichere Mittelfeldspielerin Camille Abily. Lyon hat den deutschen Meister geschlagen; bei der Weltmeisterschaft, die Ende Juni beginnt, trifft Frankreich in der Vorrunde auf Deutschland. Wie gut ihr unglaublich aufwendiges Pressing, ihr Laufspiel sein kann, konnten sie in London nur andeuten. Beide Mannschaften legten einen arg nervösen Auftritt hin. Doch sie konnten zeigen, dass man mit exzellenter Athletik und gut eintrainierten Laufwegen eine antiquierte Dreierabwehr wie die von Potsdam ganz gut ausspielen kann.

Bei der WM werden die Französinnen allerdings auf moderner eingestellte Deutsche treffen. Der deutsche Meister wird ohnehin nur zwei Spieler stellen, die Verteidigerinnen Babett Peter und Bianca Schmidt. Gestern entschied Bundestrainerin Silvia Neid, Anja Mittag und Josephine Henning aus dem WM-Aufgebot zu streichen. „Sie müssen sich nach dem Spiel selbst fragen, ob sie ins Weltmeisterteam gehören“, hatte Bernd Schröder nach dem Schlusspfiff gesagt.