PRESS-SCHLAG
: Loden-Kalle und die Ehrenmänner

MANUEL NEUER Natürlich geht der Torwart zum FC Bayern. Warum? Weil die ehrenwerte Gesellschaft auf Schalke ihr Jawort gegeben hat

Rummenigge ist ein Mann von Welt. Und von Format sowieso.

Karl-Heinz Rummenigge ist ein Mann von Welt. Ein Mann von Format ist er sowieso, das kann ja gar nicht anders sein beim FC Bayern. Und weil das so ist, geht Karl-Heinz Rummenigge natürlich vom Gelingen des Manuel-Neuer-Transfers aus. In der Gedankenwelt des integren Bayern-Chefs wäre alles andere verwunderlich, ja wenn nicht erschreckend, denn die Herren vom FC Schalke 04 und diejenigen vom FC Bayern sind sich angeblich einig: Per Handschlag habe man sich verständigt, und ein Mann wie Rummenigge geht in einem solchen Fall davon aus, dass die Handreichung des Geschäftspartners etwas gilt: „Ich bin überzeugt, dass sich Schalke 04 an die getroffene Vereinbarung, die wir per Handschlag besiegelt haben, halten wird. Ich kenne die Vertreter von Schalke 04 nur als Ehrenmänner und seriöse Kaufleute, so wie wir es auch sind.“

Der Appell an die Schalker Klubführung, in Sachen Geschäftsgebaren anständig zu bleiben, deutet allerdings darauf hin, dass ich der passionierte Träger von Lodenmode im Poker um den Schnapper warm anziehen muss. Denn Clemens Tönnies, der Häuptling der ehrenwerten Gesellschaft auf Schalke, sagte zuletzt: „Ich will Manuel den Bayern noch aus dem Rachen reißen.“ Alles für ihn tun würde er auch noch.

Das ist nach Lesart des Bayern-Chefs nicht nur unschön, sondern auch noch eine fiese Unterstellung, denn weder Hoeness noch Rummenigge sind bisher als die Kannibalen von Fröttmaning aufgefallen. Unter guten Kollegen ist der Tonfall ebenfalls ungewöhnlich, denn Hoeness und Tönnies sind ja im gleichen Geschäft unterwegs, beide machen in Fußball und in Hackfleisch. Bei Letzterem ist Tönnies zwar die eindeutig größere Nummer, aber das heißt noch lange nicht, dass er immer die besseren Argumente hat als der versierte Bayern-Präsident, dem die Kaderplanung wie eh und je am Herzen liegt und der Sportdirektor Nerlinger bei der öffentlichen Darstellung von Konflikten im Klub nach Leibeskräften unterstützt. Vielleicht war es der unberechenbare Charme des Altmeisters, der Neuer bezirzte. Wir wissen es nicht, ja, vielleicht werden wir es nie erfahren. Und ganz nebenbei bietet München viel: Biergärten, Bauwerke, Landschaft drumherum und mittendrin noch einen halbwegs passablen Fußballklub, dem echte Ehrenmänner vorstehen.

Ist Neuer deshalb nicht zu Manchester gegangen, wo er als die gelungene Synthese von Edwin van der Sar und Peter Schmeichel die Fans sicher im Sturm für sich eingenommen hätte? Oder war es der alte Krakeeler aus Schottland, der ihn schreckte? Die bisweilen etwas feuchte Aussprache des Sir Alex Ferguson mag ein Argument gegen einen Wechsel in den englischen Nordwesten gewesen sein – die sportlichen Perspektiven allerdings dürfte keine Rolle gespielt haben. Vielleicht dachte sich Neuer auch: Da ist eh nichts mehr los, wenn der alte Zausel mal weg ist. Aber wer weiß, wie lange der noch bleibt.

Andererseits: Was weiß man schon über den Ehrbegriff des Schotten? Die Bayern dagegen kennt man. Und auch die Schalker. Und weil Neuer als Mann aus dem Ruhrgebiet handfesten Dingen zugetan ist, wird ihm sicher die eine oder andere Weißwurst schmecken.

Rummenigge hegt berechtigte Hoffnungen. Tönnies, das ist nun auch gerichtsfest – ist ein Ehrenmann. Von Horst Heldt haben wir nie was anderes angenommen. Und von Peter Peters, der Stimme der Vernunft, als Felix Magath Schalke noch mit unerbittlicher Hand regierte, haben wie nur das Beste gehört. Deswegen könne wir mal davon ausgehen, dass Neuer zu den Bayern stößt. Und wenn er nun doch bei den Schalkern Ehrenmännern bleibt? Für Loden-Kalle wäre dies ein harter Schlag. Aber die Welt ist ungerecht. STEFAN OSTERHAUS