Ein/e MonarchIn auf Zeit

PARIS ap ■ Der französische Staatspräsident genießt im Vergleich zu seinen EU-Kollegen eine beispiellose Machtfülle. Er ernennt den Premierminister und kann ihn zum Rücktritt zwingen. Er diktiert die Richtlinien der Politik, ohne sich vor dem Parlament verantworten zu müssen. Der Staatschef kann dagegen selbst die Nationalversammlung auflösen oder an ihr vorbei das Volk per Referendum über zentrale Fragen entscheiden lassen.

Die Verfassung der V. Republik von 1958 hat aus dem Staatspräsidenten eine Art Monarchen auf Zeit gemacht. In Krisenzeiten kann er den Notstandsartikel 16 anwenden, der ihm fast uneingeschränkte Vollmachten gewährt. Seit 1962 wird er direkt und mit absoluter Mehrheit vom Volk gewählt.

Bei der Ernennung seines Regierungschefs ist der Präsident formell frei. Er muss jedoch auf die Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung achten, denn diese kann die Regierung mit eigener Mehrheit stürzen. Der Präsident leitet auch die wöchentlichen Kabinettssitzungen und hat so großen Einfluss auf die Regierungsarbeit.

Eingeschränkt wird seine Macht in Zeiten der Kohabitation, wenn das gegnerische politische Lager die Parlamentsmehrheit hat und deswegen den Premierminister stellen kann. Dies war zuletzt von 1997 bis 2002 der Fall, als der Sozialist Lionel Jospin Regierungschef war. Im kommenden Juni wählen die FranzösInnen ein neues Parlament. Erst dann weiß der/die neue PräsidentIn, mit welchen parlamentarischen Mehrheiten er/sie es zu tun haben wird.

Die Außenpolitik ist die eigentliche Domäne des Staatspräsidenten. Er vertritt Frankreich auch in Zeiten der Kohabitation auf internationalen Konferenzen. Er ist als Oberbefehlshaber der Streitkräfte auch für die französische Atomstreitmacht verantwortlich. Sein größtes Druckmittel ist das Vetorecht im Weltsicherheitsrat.

Seit der Wahl 2002 wird der Präsident jeweils für fünf Jahre gewählt, zuvor betrug seine Amtszeit sieben Jahre. Eine im Februar verabschiedete Verfassungsänderung sichert ihm Immunität zu, zugleich wurde die Möglichkeit einer Amtsenthebung per Zweidrittelmehrheit geschaffen. Weitere Reformen könnten nach der Wahl anstehen, beide Kandidaten streben eine Verfassungsreform an.