SpitzenpolitikerInnen im Kreuzfeuer

LandessiegerInnen von Jugend debattiert nahmen sich gestern die drei Spitzenkandidaten Thomas Röwekamp, Karoline Linnert und Jens Böhrnsen vor. Und die hatten durchaus kein leichtes Spiel beim Meinungsstreit um Kombi- oder Mindestlohn, um Kohlekraftwerk und um Studiengebühren

von Klaus Wolschner

Der Festsaal der Bürgerschaft war ziemlich voll – SiegerInnen der regelmäßig stattfindenden Wettbewerbe „Schüler debattieren“ sollten gestern den SpitzenkandidatInnen von SPD, CDU und Grünen auf den Zahn fühlen. Das erledigten sie – um das Ergebnis vorwegzunehmen – einigermaßen professionell, obwohl sie teilweise undankbare Rollen übernehmen mussten: Tatjana Petrowa vom Schulzentrum Walliser Straße stritt gegen Bürgermeister Jens Böhrnsen für Studiengebühren, und David Ehmke vom Alten Gymnasium konfrontierte die Grüne Karoline Linnert mit Argumenten für die Position, der Bau des Bremer Kohlekraftwerk sei gut – auch für die Öko-Bilanz.

Den Anfang machte Dmitry Yaskov vom Hermann-Böse-Gymnasium, Bremer Landessieger bei „Jugend debattiert“. Thema des Streits mit Innensenator Thomas Röwekamp war die Frage Mindestlohn oder Kombilohn. Obwohl Röwekamp auf das Thema vorbereitet war, konnte Dmitry Yaskov punkten. Frankreich, Belgien und Schweden haben einen Mindestlohn von über acht Euro, meinte er auf das Argument Röwekamps, die meisten der 27 EU-Staaten mit Mindestlohn hätten eine sehr niedrige Summe. Und auch auf die Frage, wie die Kombilöhne – die nach Röwekamps Auskunft über den Regelsätzen von Hartz IV liegen sollten – denn finanziert werden sollten, bleibt der CDU-Spitzenkandidat eine überzeugende Antwort schuldig. Aus der Arbeitslosen-Versicherung, sagte er allgemein.

Stattdessen überraschte er die SchülerInnen mit einer Variante des Kombilohn-Modells, die in der Diskussion bisher selten auftaucht: Nur ArbeitnehmerInnen, die nach gültigen Tarifverträgen bezahlt werden, die unter 7,50 Euro lägen, sollten Anrecht auf Kombi-Lohnzusatz haben. In Bremen, so Röwekamp, gebe es zehn von DGB-Gewerkschaften abgeschlossene Tarifverträge, für die dies gelte. Auf diese Kombilohn-Variante war der Schüler nicht vorbereitet.

David Ehmke sollte für Kohlekraftwerke streiten – und da spürte man ein wenig den Nachteil, den die Schüler-Seite in den Duellen hatte: Nach den Regeln von „Jugend debattiert“ bekommen die SchülerInnen ihre Rolle zugewiesen, und die zu vertretende Position muss nicht mit der eigenen Meinung übereinstimmt. Die Politikerin Karoline Linnert hatte dagegen ein Heimspiel: Sie konnte ihre Meinung – gegen das in Bremen geplante Mega-Kohlekraftwerk – vertreten. Dennoch gab es ein Argument, auf das sie nicht konterte: Der Bau vieler moderner Kohlekraftwerke erhöht die Chance, dass alte, weniger effiziente und also weniger profitable, abgeschaltet werden. Nicht besonders schlagfertig erwies sie sich auch auf die Sorge des Schülers, der Ersatz von Kohle durch Gas würde mittelfristig zur Strompreiserhöhung führen.

Der Schlussapplaus für sie war allerdings deutlich stärker als der Eingangsapplaus. Vielleicht lag das daran, dass sie auf die Schülerin, wie es einem als Frau in der Bremer Lokalpolitik ergehe, eine sehr ehrliche Antwort gab. Klar, es gebe Vorurteile, erklärte sie, weniger Vorbilder, aber es sei eben auch ein Problem, dass Frauen sich oft auch weniger zutrauten.

In der dritten Runde bei „Jugend debattiert“ ging es um die Studiengebühren. Tatjana Petrowa vom Schulzentrum Walliser Straße plädierte dafür, Jens Böhrnsen dagegen. Und da blieb es nicht bei dem Austausch der gängigen Argumente. Tatjana Petrowa argumentierte auch mit ihrem eigenen Beispiel. Sie besucht neben der staatlichen Schule auch Kurse am ILS, um sich da für 150 Euro im Monat auf die allgemeine Hochschulreife vorzubereiten. Dafür bringt sie Opfer – man müsse eben Prioritäten setzen“, sagte sie, und: „Studium ist eine Investition in sich selber. Jeder muss seinen eigenen Beitrag leisten.“

Böhrnsen setzte dem seine eigene biografische Erfahrung entgegen: „Ich komme aus einem Elternhaus, wo das nicht normal war zu studieren.“ Das sei für ihn am Anfang schwierig gewesen. Er wolle nicht, dass jemand da wegen seines Elternhauses benachteiligt wird.

Die Nachfrage, wie er das bei einem Koalitionspartner CDU durchhalten wolle, beantwortete Böhrnsen sehr schlicht: „Mit mir gibt es keine Studiengebühren.“ Das müsse sich jeder, der mit der SPD koalieren wolle, klarmachen.