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Archiv-Artikel

Man sah: Das hier ist ernst

UMWELTBIBLIOTHEK Frank Ebert beteiligte sich an der Mahnwache für inhaftierte Demonstranten

Von AM

Am 7. Oktober 1989 war ich in der Gethsemanekirche, als die Situation am Berliner Alexanderplatz hochkochte. Gemeinsam mit anderen Unterstützern war ich schon seit fünf Tagen dort. Wir erinnerten mit einer Mahnwache an die in Leipzig verhafteten Demonstranten. Unsere Forderungen lauteten: Strafbefehle aufheben, politisch Inhaftierte freilassen und Ermittlungsverfahren einstellen!

Damals war ich 19 Jahre alt und machte nach meiner Lehre als Werkzeugmaschinenbauer bei der Umweltbibliothek mit, druckte Flugblätter und illegale Zeitschriften. Ich hatte Zeit, das Leben kostete so gut wie nichts.

In diesen Monaten veränderte sich jeden Tag etwas. Es kam zur Ausreisewelle über Ungarn und Prag, vielerorts gab es Demonstrationen und Mahnwachen. An diesem 7. Oktober war Gorbatschow in Berlin und feierte mit Honecker 40. Republikgeburtstag, als wäre nichts. Die Lage war extrem aufgeladen.

Dass wir uns in der Gethsemanekirche trafen, hatte für mich nichts mit Religion zu tun. Kirchen boten in der DDR die einzigen Freiräume, die unabhängige politische Arbeit ermöglichten. Die evangelischen Kirchen waren keineswegs per se oppositionell – einzelne mutige Pfarrer stellten ihre Räume bereit.

Die Kirche war schon überfüllt, als die Demonstranten, vom Alex kommend, am Abend des 7. Oktober eintrafen. Diese Massen passten gar nicht mehr rein. Die Polizei riegelte dann alles ab. Die Einheiten waren bewaffnet, sie trugen Helme und Schilde und hatten Hunde dabei. Das kannte ich so nicht, obwohl ich weiß Gott reichlich Erfahrung mit der Polizei gesammelt hatte. Man sah: Das hier ist etwas anderes als die übliche Willkür, das hier wird ernster.

In der Kirche und drumherum wuchs die Angst. Gemeinsam mit dem damaligen Landesbischof Gottfried Forck handelte ich mit dem Leiter der Abteilung Inneres einen sicheren Weg nach draußen aus. Viele mussten ja nach Hause, wo Kinder und Angehörige auf sie warteten.

Aber die Polizei brach ihre Zusage. Die Leute, die über die kleine Brücke in eine Nebenstraße rausgingen, wurden teilweise brutal verhaftet. Es war dramatisch. Die Frage lautete ab da nur noch: Wer fehlt? Wir wussten ja nicht, wo sie die Verhafteten hinbringen. Und tatsächlich erfuhren wir später von Gewalt und Demütigungen.

Die Tage in der Gethsemanekirche haben mein weiteres Leben durchaus beeinflusst. Ich arbeite heute für die Robert-Havemann-Gesellschaft, die die DDR-Opposition dokumentiert und erforscht. Ohne sie sähe die Geschichtsschreibung vermutlich ganz anders aus. Wir verweisen immer wieder auf die Akteure von damals, die den Arsch hingehalten haben. Wir zeigen, dass Widerstand möglich ist in einer Diktatur – und setzen so heute die politische Arbeit fort, die wir damals begonnen haben. PROTOKOLL: AM