: Hütte macht Strom
Der Affinerie-Chef gehört zu den großen Kritikern der Stromkonzerne – und kauft sich jetzt bei Vattenfall ein
HAMBURG taz ■ Zwei der großen Gegner beim Thema Strompreise haben sich gestern überraschend geeinigt: Die Norddeutsche Affinerie (NA) wird sich an einem neuen Kohlekraftwerk beteiligen, das Vattenfall bis 2012 in Hamburg bauen möchte. Im Gegenzug wird der Stromkonzern alle deutschen Werke der Kupferhütte 30 Jahre lang mit Strom zum Vorzugspreis versorgen. „Das ist singulär für Deutschland“, sagte Werner Marnette, der Vorstandsvorsitzende der NA. Dafür verzichte die NA auf ein Müllkraftwerk, das sie zusammen mit der Hamburger Stadtreinigung bauen und betreiben wollte.
Marnette hatte sich in den vergangenen Jahren wiederholt kräftig mit der Stromwirtschaft, insbesondere Vattenfall, gestritten. Sein Vorwurf: Die Strompreise seien überhöht, weil der Preis an der Leipziger Strombörse EEX von den wenigen großen Stromproduzenten manipuliert werde. Die Energieversorger hatten dagegengehalten, dass an der EEX 164 Marktteilnehmer registriert seien. Marnette könne nicht damit argumentieren, dass viele Kraftwerke abgeschrieben seien und die Preise deshalb niedriger sein müssten. Der Strompreis richte sich nach den Kosten des jeweils neuesten Kraftwerks.
Bei Marnettes Konzern macht die Stromrechnung ein Viertel der Gesamtkosten aus: Im vergangenen Jahr waren es 56 Millionen Euro. Darum sah sich der Manager nach anderen Wegen um: Bei dem Müllkraftwerk – genauer: dem Ersatzbrennstoff-(ESB-)Kraftwerk – hätte die NA zwar Börsenpreise für den Strom bezahlen müssen. Dafür wäre sie aber zu 50 Prozent am Gewinn der Anlage beteiligt gewesen. Aufbereiteten Müll hätte diese gegen Gebühr verbrannt. Da das ESB-Kraftwerk auf Hüttengelände gebaut worden wäre, hätte sich die Affi zudem die Netzdurchleitungsgebühr gespart.
Bei der jetzt gefundenen Lösung sichert sich die NA 115 von insgesamt 1.600 Megawatt des geplanten Kohlekraftwerks. Die Kupferhütte beteiligt sich an den Investitionskosten, ohne aber Miteigentümer zu werden. Und sie erhält dafür Strom „auf Kostenbasis“. Diese Kosten sind für die Affi transparent, und sie machen den Konzern unabhängig von den Schwankungen der Börse. „Ohne diese langfristige Absicherung hätten unsere Erweiterungspläne zu den Akten gelegt werden müssen“, sagte Marnette.
Vattenfall dagegen erhält die Sicherheit, in einem schwer kalkulierbaren Markt eine Strommenge von mehr als einer Milliarde Kilowattstunden im Jahr absetzen zu können. Das Müllkraftwerk hätte überdies eine lästige Konkurrenz werden können.
GERNOT KNÖDLER