: „Frauen als Handelnde einbeziehen“
Die Friedensaktivistin Heidi Meinzolt fordert die Umsetzung einer UN-Resolution, mit der Frauen stärker an der Konfliktbewältigung beteiligt werden sollen. Sie sind eher bereit als Männer, alte Konfliktmuster aufzugeben
HEIDI MEINZOLT, 55, ist Gymnasiallehrerin und seit langem in der Friedenspolitik tätig, u. a. im Frauensicherheitsrat.
INTERVIEW HEIDE ÖSTREICH
taz: Frau Meinzolt, die UN-Resolution 1325 aus dem Jahr 2000 fordert, Frauen in der internationalen Konfliktbewältigung stärker einzubinden. Warum ist das so wichtig?
Heidi Meinzolt: Frauen sind in Konflikten oft nur als Opfer präsent. Wenn man sie aber als Handelnde einbezieht, dann hat sich gezeigt, dass der Frieden oft nachhaltiger und effektiver wird. Frauen sind häufig eher als die Männer bereit, nicht mehr in alten Konfliktmustern zu denken.
In Somalia etwa haben Frauen einen eigenen Frauenclan gegründet, der die alten Clangrenzen überschreitet. Dadurch haben sie Verständigungen möglich gemacht, auf die die Männer gar nicht kamen. Ähnlich ist es in Israel oder in Bosnien. Die Mehrheit der Männer tut das oft als „Psycho-Ebene“ ab. Aber die Bereitschaft, den Konflikt weiterzuführen, sinkt, wenn solche Prozesse stattfinden.
Verständigungsprozesse sind langwierige Vorgänge. Warum sollte eine UN-Mission vor Ort kurzfristig auf Frauen zugehen?
Wenn man Frauen in den Peacebuildingsprozess einbezieht, dann werden gesellschaftliche Grundbedürfnisse wie Wasser, Nahrung oder Sicherheit auf der Straße besser berücksichtigt, als wenn man nur an die alten Autoritäten herantritt. Die sind oft eher damit beschäftigt, ihre Machtposition wieder zu festigen. Wenn Frauen entsprechend repräsentiert sind, dann kommt es in der Nachkriegsgesellschaft zu signifikant weniger Gewalt, das lässt sich mit Studien belegen.
Wie sollte eine Friedensmission nach Resolution 1325 am besten vorgehen?
Sie muss feststellen, wo Gewalt stattfindet und dabei Vergewaltigungen und häusliche Gewalt selbstverständlich einbeziehen, weil diese in und nach Konflikten häufig stark ansteigt. Ihre Soldaten haben ein Gender-Training absolviert und wissen, wie man auch den Frauen vor Ort gegenübertritt.
Sie haben das Prinzip der „Zero-Tolerance“ verinnerlicht: Von Soldaten darf keine sexuelle Gewalt oder Nötigung ausgehen. Und Übergriffe werden strafrechtlich verfolgt – das alles ist im Moment nicht unbedingt der Fall. Und schließlich nimmt eine solche Mission beim Aufbauen von neuen Verwaltungsstrukturen die Anliegen der Frauen mit auf, etwa über Quoten, wie man das in Afghanistan versucht.
Können Sie ein Beispiel nennen, wo die Genderfrage bei internationalen Einsätze einbezogen wurde?
Ein gutes Beispiel ist die Kongo-Mission. Eine Offizierin fungierte als „Gender-Advisor“. Sie hat die Soldaten animiert, auch mit der Zivilgesellschaft Kontakt aufzunehmen. Das Ergebnis war, dass etwa die Wege zu den Wahllokalen gesichert wurden, damit Frauen zur Wahl gehen konnten. Dann konnten Frauen überhaupt wählen gehen – und nicht ihr Ehemann oder ihr Bruder für sie. Auch die anderen Offiziere merkten am Ende, dass ihre Einsätze so für sie viel effektiver wurden.
Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrats schreibt die Teilnahme von Frauen an Friedensprozessen und Interimsregierungen völkerrechtlich vor. Frauen müssen „in den nationalen, regionalen und internationalen Institutionen und Mechanismen zur Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten auf allen Entscheidungsebenen“ stärker vertreten sein, heißt es in der Resolution, die am 31. Oktober 2000 verabschiedet wurde. NGOs kritisieren, deren Umsetzung sei Flickwerk geblieben. Die Tagung: „Roadmap to 1325 – Gender in der EU-Friedens- und Sicherheitspolitik“ beschäftigte sich vom 4. bis 6. Mai in Berlin mit der Implementierung der UN-Resolution 1325. Sie wurde veranstaltet vom Feministischen Institut der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Frauensicherheitsrat. OES
Wie weit ist die Bundeswehr in diesen Fragen?
Bundeswehrsoldaten, die in Auslandseinsätze gehen, haben in der Regel ein Gender-Training hinter sich: Die Rolle der Frauen im Zielland und wie man ihnen gegenübertritt. Was brauchen Frauen in Flüchtlingslagern, früher fehlten regelmäßig banalste Dinge wie Damenbinden. Und sie kennen die Zero-Tolerance-Regel.
Trotzdem hat auch Kanzlerin Merkel abgelehnt, einen nationalen Aktionsplan zu entwickeln, wie es die Resolution 1325 eigentlich vorsieht. Braucht es den gar nicht mehr?
Doch. Die Trainings gibt es, weil Frauenorganisationen jahrelang Druck gemacht haben. Ein Aktionsplan würde solche Aspekte und auch bestimmte Geschlechterquoten schlicht zur Regel machen – und das Nichtbefolgen würde sanktioniert. Mittlerweile ist aber klar, dass das Gros der Frauen im Bundestag für einen solchen Plan ist. Da könnte also noch etwas passieren.