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Archiv-Artikel

Distanz in Gefahr

Niedersachsens Verfassungsschützer sollen Teil des Innenministeriums werden. Die Opposition fürchtet eine Aufweichung des Trennungsgebotes und verweist auf die Affäre um das Celler Loch

VON KAI SCHÖNEBERG

Uwe Schünemann will „Schnittstellenprobleme“ beseitigen und „Synergieeffekte“ heben. Doch die Opposition sieht bei dem Plan von Niedersachsens CDU-Innenminister, den Verfassungsschutz in sein Haus zu integrieren, „Allmachtsinteressen“ im Spiel. Hans-Albert Lennartz von den Grünen sieht das Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutz gefährdet.

Die „Regierung Wulff wäre schlecht beraten, wenn sie ausgerechnet diesem unsensiblen Innenminister einen unmittelbaren Zugriff auf eine derart sensible Materie wie den Verfassungsschutz ermöglicht“, sagt SPD-Innenexperte Heiner Bartling. Ab August sollen die 244 Verfassungsschützer im Land von einer Schünemann nachgeordneten, aber eigenständigen Behörde zu einer Abteilung seines Ministerium wandern. Statt eines Präsidenten wird es nur noch einen Abteilungsleiter geben. Das beschloss gestern das Kabinett. Die Neuorganisation führe „aufgrund kürzerer Informationswege“ zu einer besseren Abwehr von Terrorismus und Extremismus, für die sich Schünemann immer stärker berufen fühlt. Außerdem will er mittelfristig Stellen sparen. Es gebe acht Bundesländer, in denen der Verfassungsschutz Teil des Innenministeriums sei, sagt Sprecher Frank Rasche. Und: „Natürlich bleibt das grundgesetzlich festgeschriebene Trennungsgebot erhalten.“

Davon sind SPD und Grüne nicht überzeugt. Schünemann habe wiederholt “Unterschiede zwischen Polizei und Verfassungsschutz verwässert“, sagt Bartling. Er sei „denkbar ungeeignet“, direkter Chef der Schlapphüte zu werden. Die 1992 eingeführte Ausgliederung, laut der die Verfassungsschützer eigenständig agieren, jedoch von einem Referat im Ministerium kontrolliert werden, habe sich bewährt.

Der damalige Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) hatte damit eine Konsequenz aus der Affäre um das „Celler Loch“ gezogen. 1986 war bekannt geworden, dass Verfassungsschützer mit der „Aktion Feuerzauber“ acht Jahre zuvor eine Mauer im Celler Gefängnis gesprengt hatten. Der vermeintliche Anschlag sollte die „Eintrittskarte“ für zwei V-Männer in die Terroristen-Szene sein. Hinter Gittern saß damals RAF-Mitglied Sigurd Debus.

Das „Celler Loch“ ist aus der Wand herausgefräst und mittlerweile zum Museumsstück geworden. Das Misstrauen gegenüber unkontrollierbaren Aktionen der Geheimdienste ist geblieben. Die Trennung schließe ein Fehlverhalten der Verfassungsschützer besser aus, meint der Grüne Lennartz. Schünemann setze den Erfolg der Ausgliederung leichtfertig aufs Spiel, sagt SPD-Mann Bartling: Affären wie zu Ernst Albrechts Zeiten hätten sich nicht mehr wiederholt.