: Onkel nörgelt wieder
CHANSON Der 56-jährige Liedermacher Funny van Dannen versöhnt in seinen Songs gern Humor mit Trauer. Auf seinem 14. Album „Geile Welt“ spielt er zur Abwechslung mit einer Band
VON THOMAS WINKLER
Manchmal nervt er ein bisschen. Dann brabbelt er so unverständliches Zeug. Mosert über dies und das. Oder nimmt sich ein bisschen zu ernst. Aber meistens ist er ganz lieb. Außerdem kann er gut Geschichten erzählen. Und seine Witze sind immer noch zum Lachen, selbst wenn man die meisten schon kennt.
Wenn man über den Liedermacher Funny von Dannen spricht, klingt das schnell so, als spräche man über den sonderbaren Großonkel, der bei den Familienfeiern immer dabei ist, obwohl keiner mehr so ganz genau weiß, wie er mit wem verwandt ist. Aber er war eben immer schon da. Und dann, wenn er mal wieder ein wenig herumnörgelt, sagt die Mutter oder auch die Oma: Schön, dass wir ihn haben.
Der neueste Besuch bei der Familienfeier heißt „Geile Welt“. Auf dem Cover ist eine eher unförmige, gezeichnete Kuh zu sehen, die einen sehr großen Euter trägt und ein Fell, das gemustert ist wie eine Weltkarte. Die Kuh zieht die Mundwinkel nach unten. Die geile Welt, so viel wird schnell klar, ist gar nicht so geil. Der Großonkel hat wieder was zu meckern.
Drei Schnäpse später
Der Titelsong ist eine Aneinanderreihung nicht immer ganz nachvollziehbarer Assoziationen, die klingen wie der unvermeidliche Wortschwall nach dem dritten Schnaps, in dem ein irgendwie generelles Unbehagen mit der Allgemeinsituation ganz und gar nicht auf den Punkt gebracht wird. Oder so.
Gleich im nächsten Song aber schwelgt Onkelchen in den güldenen Erinnerungen. Die Liebe, diese Zauberkraft, sorgt dafür, dass „Wir fliegen“. So hoch geht die Stimmung, dass am Schluss die Frage ganz selbstverständlich scheint für zwei Menschen, die zusammen abheben: „Warum weinst du? Hast du Himmel ins Auge gekriegt?“ Funny van Dannen, 56-jähriger Deutschniederländer, geboren als Franz-Josef Hagmanns-Dajka in Tüddern, aufgewachsen an der holländischen Grenze, wohnhaft in Berlin seit 1978, zeitweise Texter für Die Toten Hosen, eifriger, aber eher erfolgloser Maler, Bestsellerautor, kennt schon aus Prinzip nicht den Unterschied zwischen dem Pathos eines letztgültigen Liebeslieds und der ironischen Distanzierung von aktuellen Phänomenen, die er so genau zu beobachten versteht wie kaum ein anderer.
Das ist auch auf „Geile Welt“, seinem 14. Album, nicht anders. Mal reiht er bloß besinnungslos Plattitüden aneinander, bis alles ins Absurde kippt. Dann besingt er – ganz ernsthaft oder vielleicht auch doch nicht –, wie großartig es ist, seine Arbeit aus voller Überzeugung und mit Liebe zu tun. Was ihn wiederum nicht davon abhält, auch einen Song übers Gähnen zu verfassen und einen anderen, in dem die lebensbejahende Kraft von Dübeln gefeiert wird. Man kann das metaphysisch finden. Oder einfach bekloppt. Schließlich hat van Dannen diesmal mit dem „Lied über Nichts“ auch noch ein Lied geschrieben, dass davon handelt, dass er schon immer ein Lied schreiben wollte, das von nichts handelt.
Die Fans erkennen: Onkel Funny ist immer noch ganz der Alte. Ein Experte in der Erkundung des tiefschwarzen Lochs zwischen Tiefsinn und Klamauk. Ein Meister in der Versöhnung von Humor und Trauer. Ganz anders ist allerdings die diesmalige Umsetzung: „Geile Welt“ hat van Dannen mit einer richtigen Band eingespielt. Bislang war es dem zum Schratigen neigenden van Dannen meist zu mühsam, sich mit anderen Musikern auseinanderzusetzen. Die Lassie Singers, die er 1988 zusammen mit Christiane Rösinger und der im vergangenen Jahr verstorbenen Almut Klotz gegründet hatte, verließ er schnell wieder. Seine eigenen Platten spielte er am liebsten live und allein, nur unterstützt von seiner akustischen Gitarre, im heimischen Keller ein.
Kein Wunder also, dass man van Dannen so wie auf „Geile Welt“ tatsächlich noch nie gehört hat. „Losgehen“ klingt, als würden Bad Religion „Smells Like Teen Spirit“ nachspielen. Es gibt entspannt dahin Groovendes wie „One Day“ oder französisch Anmutendes wie „Menschen in Landschaften“, stumpf Hingeprügeltes wie „5 Euro“ oder hymnisch Volkstümliches wie „Sie ist nichts für dich“. Kurz: Es gibt einige Überraschungen, ohne dass die bekannten und beliebten Qualitäten van Dannens verschwinden würden.
Es ist fast, als würde der Großonkel plötzlich in weiblicher Begleitung auf der Familienfeier auftauchen. Zuerst fragt man sich, ob er denn jemals eine Frau gehabt hatte. Dann zerreißen sich alle das Maul. Man stellt fest, dass Onkelchen immer noch gut drauf ist und die Neue auch ziemlich nett. Man wird, sagt dann Mutter oder vielleicht auch Oma, man wird sich bestimmt auch daran gewöhnen. Denn vor allem ist doch schön, ihn immer wieder dabei zu haben.
■ Funny van Dannen: „Geile Welt“ (JKP/Warner)
■ Live am 20. 12. im Astra