: Fax aus Kairo
Ägyptens oberster Antikenverwalter Hawas hat sich in Hildesheim gemeldet: Er will die dort ausgestellte Statue von Hem-Iunu für das neue Museum in Gizeh ausleihen. Die Hildesheimer Museumsdirektorin verlangt eine Rückgabe-Garantie
Mit einheitlichen Regeln wollen die europäischen Museen das Vertrauen in den Austausch ihrer Sammlungen stärken. Darüber diskutierten Vertreter von Museen aus 27 Ländern am gestern und vorgestern in Bremen auf einer Fachtagung. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) sagte bei der Eröffnung, einen Dürer oder Velazquez könnten Kunstfreunde nur im Original in ganzer Pracht erleben. Die Geschäftsführerin des Deutschen Museumsbundes, Mechtild Kronenberg, sagte, es würden insbesondere für kleine und mittlere Museen derzeit Standard-Leihverträge entwickelt, die im Herbst veröffentlicht werden sollen. Die Teilnehmer der Tagung diskutierten unter anderem Leihgebühren, Transport und Verpackung von Sammlungen und die Frage der Haftung, falls ein Objekt beschädigt wird. DPA / TAZ
von MART-JAN KNOCHE
Das Roemer- und Pelizaeus-Museum in Hildesheim steht seit vergangener Woche in einer Reihe mit dem British Museum in London, dem Louvre in Paris und dem Ägyptischen Museum in Boston. Sie alle bekamen ein Fax aus Kairo. Absender: Sahi Hawas, seines Zeichens oberster Antikenverwalter Ägyptens. In den Schreiben bittet Hawas um die Leihgabe bedeutender altägyptischer Kulturdenkmäler, die sich in dem Besitz der Museen befinden.
In Hildesheim geht es um die Statue des Hem-Iunu, dem Wesir des Pharao Cheops. Die überlebensgroße Skulptur stammt aus der 4. Pharaonendynastie, wurde um 2500 vor Christus erschaffen und ist, sagt die Hildesheimer Direktorin Katja Lembke, „neben der Nofretete-Büste das wertvollste, was sich aus dem alten Ägypten in Deutschland befindet.“ Hem-Iunu war wahrscheinlich der oberste Bauvorsteher des Cheops, damit verantwortlich für eines der monumentalsten Bauwerke der Menschheit: die Cheops-Pyramide von Gizeh.
Seit Jahrzehnten schwelt ein Streit zwischen dem ägyptischen Staat und den Antikenmuseen der westlichen Welt. Seinen letzten Höhepunkt erreichte dieser Streit im April, als ein Gesuch der ägyptischen Antikenverwaltung das Ägyptische Museum in Berlin erreichte. Die Ägypter baten um eine dreimonatige Leihgabe des prachtvollsten Exponats der Ausstellung: um die Büste der altägyptischen Königin Nofretete, gefertigt vor etwa 3500 Jahren. Für die Eröffnungsausstellung des Grand Egyptian Museum, das im Jahre 2012 in Gizeh fertig gestellt werden soll, wolle man die Pharaonin gerne haben, hieß es.
Die Anfrage der Ägypter wurde barsch zurückgewiesen, mit der Begründung, ein Transport der kostbaren und äußerst fragilen Nofretete sei zu riskant. Die Absage der Deutschen wurde zum Politikum, da als historisch gesichert gilt, dass Nofretete 1913 ins Land geschmuggelt wurde. Auch in Deutschland war die Reaktion des Berliner Museums umstritten. In einem offenen Brief forderte die Hamburger Initiative „Cultur Cooperation“ von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) einen Beitrag zur „mentalen Dekolonisation“ – zumindest die Leihgabe der Büste solle Deutschland gewähren.
Doch der Minister sprach sich schon am darauf folgenden Tag vehement gegen eine Verleihung aus, ebenso der eigens einberufene Kulturausschuss des Deutschen Bundestages – ein Affront für die Antikenverwaltung Ägyptens. Damit werde die „wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ägypten gefährdet“, sagte Hawas dem Spiegel.
In Hildesheim ist man in dieser Sache vorsichtig geworden. Dass die Statue legal nach Deutschland einreiste, sei zu „hundert Prozent“ gesichert. „Daran besteht nicht der geringste Zweifel“, sagt Museumsdirektorin Katja Lembke. Die in Wien lagernden Dokumente über die Aufteilung des Fundes würden das beweisen.
Die Statue von Hem-Iunu wurde 1912 in einer Mastaba gefunden, einem Grabbau für den damaligen Hochadel. Sie war eingemauert hinter einer steinernen Scheintür des imposanten Grabes, die kristallenen Augen der Statue waren von Grabräubern gestohlen worden. An der Ausgrabung waren eine österreichische und eine deutsche Forschergruppe beteiligt, die deutsche wurde vom Hildesheimer Mäzen Wilhelm Pelizaeus finanziert.
Über die herausragende Bedeutung des Fundes seien sich damals alle klar gewesen, sagt Museumsdirektorin Lembke. Darum konnten sich die beiden Gruppen auch nicht über die Aufteilung ihrer Beute einigen. Schließlich entschied das Los zugunsten der deutschen Gruppe, so dass der Bankier und Diplomat Pelizaeus die Statue später dem Museum seiner Heimatstadt vermachen konnte.
Nach Kairo und Boston beherbergt das Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum die drittgrößte Sammlung altägyptischer Artefakte und Kunstwerke weltweit, doch Museumsdirektorin Katja Lembke ist sich der damit einhergehenden Probleme bewusst. „Wir müssen die Diskussion auf eine internationale, politische Ebene bringen“, sagt sie. Sie wolle versuchen, die öffentliche Debatte zu „entnofretetisieren“. Es sei nicht einsichtig, dass Kairo Museen auf der ganzen Welt seine Kunstschätze zur Verfügung stelle, ja sogar ganze Ausstellungen nach Europa bringe, selbst aber nichts dafür empfange. Die Anfragen aus Ägypten könne man nicht alle mit Verweisen auf restauratorische Risiken ablehnen. Die Statue des Hem-Iunu, daran lässt die Direktorin keinen Zweifel, sei transportfähig.
Lembke hat dem Antikenverwalter Hawas sowie ihren Kollegen aus Boston, London und Paris den Vorschlag unterbreitet, gemeinsam mit Kairo eine Wanderausstellung zu konzipieren.“ Diese würde die in alle Welt verstreuten Funde, vor allem jene aus Gizeh, zusammenbringen und in den kooperierenden Museen zeigen – auch in Ägypten. „Bis 2011 ist das zu schaffen“, meint Lembke. Die Statue des Hem-Iunu könne auf diese Weise nach Kairo gelangen.
In einem Punkt lässt Lembke aber nicht mit sich reden: „Eine Rückführung würden wir nicht akzeptieren.“ Die Position des Museums sei klar: Die Objekte gehören dem, der sie besitzt. Der ägyptische Staat müsse sicherstellen, dass die gezeigten Objekte auch zurückgegeben werden.
Derzeit gebe es einerseits Rückforderungsansprüche, andererseits Leihanfragen, gibt Lemkbe zu bedenken. Für die westlichen Museen sei das „der Punkt“.