: Kampf gegen Erdgasförderung
ROHSTOFF Wegen massivem Einsatz giftiger Chemikalien wächst in Nordrhein-Westfalen der Widerstand gegen die Suche nach „unkonventionellem Erdgas“ – doch die Mineralölkonzerne wollen bohren
DÜSSELDORF taz | Im Streit um die als umweltschädlich und trinkwassergefährdend kritisierte Erdgasfördermethode Fracking erhöhen Mineralölkonzerne wie ExxonMobil den Druck auf die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen. Naturschutzverbände und Bürgerinitiativen klagen über eine millionenschwere Imagekampagne des Betreibers der Esso-Tankstellen.
Beim Fracking wird ein Gemisch aus giftigen Chemikalien, Sand und Wasser mit einem Druck von über 1.000 Bar in den Untergrund gepresst. Gefördert werden soll damit Gas, das tief in der Erde in Schiefer- und Sandsteinschichten, aber auch in Kohlevorkommen gebunden ist. Durch das Fracking wird das Gestein aufgesprengt, das Gas kann nach oben entweichen.
Bisher wurde die Fördermethode nur in Norddeutschland angewandt. Allerdings haben Mineralölkonzerne wie Exxon oder Wintershall längst Lagerstätten in NRW im Blick: Auf 18.000 Quadratkilometern haben sie ihre Claims abgesteckt – das ist rund die Hälfte der Fläche von NRW. Der Druck der Mineralölkonzerne scheint erste Wirkung zu zeigen: Bei einer Anhörung von Experten im Landtag, die Chancen und Risiken des Frackings beleuchten solle, stellte der umweltpolitische Sprecher der traditionell bergbaufreundlichen SPD-Fraktion, André Stinka, nur eine Frage – zu möglichen Arbeitsplatzeffekten. „Ich bin dafür, unter hohen Umweltauflagen Probebohrungen zu ermöglichen“, so Stinka zur taz. Man brauche zur Sicherung der Energieversorgung nach dem Atomausstieg mehr Erdgas. Der Weltmarkt für Gas funktioniere allerdings, die Versorgung sei gesichert, argumentiert Marc Bettzüge vom Energiewirtschaftlichen Institut der Universität Köln.
Der Geologe Thomas Siepelmeyer warnte vor undichten Bohrungen wie bei der Explosion der Ölplattform „Deepwater Horizon“. Die Wasserbehörden mahnten, trotz hoher Verdünnung der Frack-Chemikalien sei eine Verseuchung des Trinkwassers möglich. Vertreter des Geologischen Dienstes hielten wie die Mineralölindustrie dagegen: Die Frackflüssigkeit sei durch Tonschichten abgeschirmt.
Aufgeschreckt durch die Gründung von mehr als zehn Bürgerinitiativen reagieren viele Politiker dennoch skeptisch. Die Konzerne sollten doch eine Frack-Methode ohne Chemikalieneinsatz erfinden, fordert der CDU-Abgeordnete Hendrik Wüst. Der grüne NRW-Umweltminister Johannes Remmel will im Juli ein Gutachten vergeben, das die Gefahren des Frackings untersuchen soll. Ein Sprecher von SPD-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger sagte: „Probebohrungen werden erst genehmigt, wenn uns die Ergebnisse dieses Gutachtens vorliegen.“ ANDREAS WYPUTTA