: „Diese Jungs sind Opfer“
Sportfunktionäre in Italien nehmen den wegen seines Geständnisses in die Kritik geratenen Ivan Basso in Schutz und wollen sich bei der Welt-Anti-Doping-Agentur für eine Reduzierung einer möglichen Zweijahressperre einsetzen
ROM/BERLIN dpa ■ Die Angst geht um im Radsport-Milieu, das sich für viele Beobachter mehr und mehr als mafiöses Gebilde darstellt. „Sie haben Angst, zu reden. Sie fürchten Schlimmes. Diese Jungs sind Opfer, umgeben von Managern, Ärzten und Handlangern“, sagte Ettore Torri, Chefermittler des italienischen olympischen Komitees (Coni), nach Bassos Geständnisfarce in der Fuentes-Affäre. Der ebenfalls geständige Radprofi Michele Scarponi ging offensichtlich beim Verhör der Antidopingagentur des Coni weiter als sein prominenter Kollege. „Scarponi hat in zwei Stunden das gesamte Dopingsystem von Fuentes dargelegt“, berichtete die italienische Sportzeitung Gazzetta dello Sport.
Torri kündigte weitere Gespräche mit Basso und Scarponi an und will sich persönlich bei der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) für eine Reduzierung der üblichen Zweijahressperre auf die Hälfte für beide Fahrer bemühen. Ein glühendes Plädoyer für Basso hielt auch Coni-Chef Gianni Petrucci, der trotz der klaren Gesetzeslage im Wada-Code zu bedenken gab: „Es ist das erste Mal, dass ein Topathlet kooperiert. Ich stehe zu Ivan und habe exzessivem Moralismus schon immer misstraut.“ Womöglich hat ja der vor seinem Pseudogeständnis in Italien als „Kronzeuge“ gefeierte 29-Jährige beim Coni am Montag mehr gesagt als in der peinlichen Pressekonferenz am folgenden Tag in Mailand.
Das deutete auch Bassos Anwalt Massimo Martelli an. „Ivan hat seinen Fall betreffend beim Coni alles erzählt. Er kann ja nur für sich sprechen. Die Fahrer fuhren ja nicht in Bussen zu Fuentes nach Spanien“, sagte er der Gazzetta dello Sport. Zum Fall Basso sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Thomas Bach: „Das klingt schon sehr nach Taktiererei. Aber nach dem Wada-Code wird ihm seine Darstellung nicht viel helfen, weil auch Vorstufen des Dopings sanktioniert werden können. Nach einem befreienden Geständnis hört sich die Aussage von Dienstag nicht an. Natürlich könnte Basso für den Giro 2006 noch nachträglich disqualifiziert werden.“
Der Antidopingaktivist Werner Franke nannte das Verfahren gegen Basso ein „italienisches Windei“. Der Molekularbiologe aus Heidelberg, der den weiterhin nicht zu einem Geständnis bereiten Jan Ullrich wegen Falschaussage angezeigt hat, bezeichnete das Vorgehen gegen Basso am Mittwoch in der Thüringer Allgemeinen als „laxes mediterranes Recht“.