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Archiv-Artikel

Patrizier und Plebejer

Der polnische Parlamentspräsident droht mit der Einführung eines Dreiklassensystems für Journalisten

„Ein Witz“, riefen sich Polens Parlamentsreporter grinsend zu. „Patrizier und Plebejer! Oder sollen wir demnächst in einer Toga ins Parlament kommen?“ Doch als Polens neuer Parlamentspräsident Ludwik Dorn in einem Interview feierlich betonte, dass es ihm mit dem geplanten „Journalistenkorps“ völlig ernst sei, blieb den Reportern die Spucke weg. Wie im alten Rom nämlich soll es künftig im modernen Warschau zugehen.

„Zurzeit bilden die Journalisten im Parlament eine unorganisierte Masse“, meint Dorn. „Das muss sich ändern.“ Diejenigen Journalisten, die sich tatsächlich für die Arbeit der Abgeordneten interessierten, sollen künftig bevorzugt werden. „Aber es kann nicht sein, dass nach der Parlamentssitzung am Nationalfeiertag ein Mädel zu mir kommt, das Mikro auf den Tisch stellt und sagt: ‚Erzählen Sie mal was zum Patriotismus!“ ‘, ärgert sich Dorn noch im Nachhinein. „Ich will daher ein Dreiklassenzugangsrecht für Journalisten einführen. So wie es im alten Rom Patrizier, Equites und Plebejer gab, soll jeder Reporterstand eigene Interview- und Zugangsrechte im Parlament bekommen.“

Dass es wie im alten Rom zum Plebejeraufstand kommen könnte, insbesondere wenn Pressekonferenzen „nur für Patrizier“ veranstaltet werden, fürchtet Dorn nicht. Jovial-arrogant setzt er den beiden „Mädels“, mit denen er die Güte hat zu sprechen, ins Bild: „Als Parlamentspräsident habe ich reelle Macht“, und „Es gibt keine Akkreditierungen auf Lebenszeit.“ Zudem sei das Verhältnis der oppositionell eingestellten Journalisten gegenüber den regierenden Nationalkonservativen und Populisten schon so schlecht, dass es nicht mehr zu verschlechtern sei.

Dorn weiß, wovon er spricht, hat er doch erst vor einem halben Jahr die links-liberalen Intellektuellen Polens als „Klugscheißer“ abgekanzelt und auch angedeutet, wen unter den Journalisten er dazurechnet. Keine Chance haben bei Dorn etwa die Reporter der Qualitätsblätter Gazeta Wyborcza und Polityka sowie des Privatsenders TVN.

Immerhin, einen kleinen Aufstand hat es bereits gegeben: Als zur Unterschrift unter den „Stabilitätspakt“ zwischen den künftigen ultrarechten und populistischen Koalitionspartnern nur die Mönche des rechtsklerikalen Fernsehsenders Trwam zugelassen wurden, legten alle anderen Parlamentsjournalisten demonstrativ ihre Kameras und Mikrofone vor dem Saal ab. Wenn sie demnächst in „Patrizier und Plebejer“ eingeteilt sind und keinen großen Aufstand wagen, wird es mit der Pressefreiheit in Polen bald vorbei sein. Noch aber bleiben einige Journalisten optimistisch: „Es ist ein Witz!“

GABRIELE LESSER, Warschau