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Archiv-Artikel

Die schwarzen Schafe

Ein CSU-Generalsekretär hat es nie leicht: Kopf hinhalten, auch wenn es ihn kostet, so hat es F. J. Strauß gewollt. Warum der von Markus Söder auch nach seinem Angriff auf Köhler schön dranbleibt

VON MICHAEL STILLER

Der CSU-Generalsekretär war außer sich: „Wir wollen einmal unsere Ruhe haben von diesem Dreck in unserer Partei“, wetterte er. „Seit zehn Tagen muss ich nun hinterherschleichen, welcher Dreck gegen mich zusammengetragen wird.“ Gerade hatte man im Landesvorstand der CSU darüber debattiert, ob der Generalsekretär zum Zweck des Spendensammelns für seine Partei Geld von einem dubiosen Geschäftsmann angenommen hatte, um eine von bayerischen Behörden aus dem Verkehr gezogene Ladung Schokolade freizubekommen.

Schokolade? Geld? Markus Söder? Nein, um sich der Person des wohl mickrigsten „Generals“ der CSU seit Menschengedenken anzunähern, ist es nicht verkehrt, den Blick erst einmal auf den Urvater aller Draufschläger und Luftverpester zu werfen. Denn das Urteil des aufgeklärten Teils der Öffentlichkeit über die Speerspitzen, die sich die Parteien halten, und jenes derer, die sie installieren, ist immer weit auseinandergegangen. Je unbeliebter ein Generalsekretär in der Öffentlichkeit war, desto zufriedener war die Partei mit ihm. Fritz Zimmermann, Gerold Tandler und Edmund Stoiber waren solche schlagstarken Aufreger. Insoweit müsste auch Markus Söder ein guter Generalsekretär sein, denn er ist ziemlich unbeliebt. Leider aber bei der eigenen Partei.

Der mit der Schokolade war übrigens Franz Josef Strauß in einer CSU-Landesvorstandssitzung 1952, und er fragte seine Parteifreunde allen Ernstes: „Wie soll man nun verhandeln für die Finanzierung der Bundestagswahl?“ Söder würde so etwas nie machen, er hält sich für smart. Von Strauß stammt auch das Anforderungsprofil für Generalsekretäre und ähnliche Verschleißposten: „Er muss den Kopf auch dort hinhalten, wo es denselben kosten kann.“ Das freilich ist nichts für seinen späten Nachfahren Markus Söder. Er hält seinen Kopf für zu schön, als ihn derart brachial einzusetzen.

Das hätte er noch kompensieren können, ginge seine Wortgewalt in die Richtung von Strauß. Doch wenn man ihn im Fernsehen oder sonst wo hört, fühlt man sich immer einem jener minderbegabten Handy-Verkäufer ausgeliefert, die einem mit Wortschwall den ungünstigsten Tarif und das älteste Gerät andrehen wollen. Dabei spricht Söder ein nettes Idiom, das Mittelfränkische, aber man muss schon den Mutterwitz des künftigen Ministerpräsidenten Günther Beckstein – ebenfalls Mittelfranke – haben, um diesen Dialekt in politische Sprache umzusetzen. Söder hat leider gar keinen Witz.

Der scheidende CSU-Chef Edmund Stoiber hat das alles aber gewusst, als er Söder, der für jedes Amt heftig mit den Hufen scharrte, 2003 zum Generalsekretär machte. Wahrscheinlich wollte er jemanden, der ihm an Redekunst nicht überlegen war – und er hat tatsächlich einen gefunden. Söder wiederum wusste: Ich muss da durch, und dann möglichst bald ab ins Kabinett. So ist es in der CSU die eherne Regel, eine Art Rückversicherung für Generalsekretäre.

Es bleibt also kaum etwas von dem studierten Juristen, der später Journalist beim Bayerischen Rundfunk wurde, wenn seine Laufbahn endet – mutmaßlich schon im Herbst, wenn sich die CSU neu puppt. Weder Horst Seehofer noch Erwin Huber werden Söder übernehmen. Seehofer hat Söder längst im Verdacht, die parteiinterne Kampagne gegen ihn als Parteichef zu steuern, Huber, in den Neunzigerjahren selbst Generalsekretär – und kein schlechter – braucht als Landespolitiker jemanden aus Berlin; von der Bundestagsabgeordneten Ilse Aigner ist die Rede.

Wie ordentlich die Parteiorganisation bei der Übergabe dasteht, wird man erst nach den Wahlkämpfen 2008 wissen. Dann wählen die Bayern den Landtag und in den Kommunen. Dass die CSU 2005 beim Bundestagswahlkampf schlecht aufgestellt war, muss nicht Söders Schuld gewesen sein. Da ging das Übel vom Chef Stoiber persönlich aus, der sich nicht auf den Schattenposten eines Bundesfinanzministers festlegen wollte und damit der Union die unselige Kirchhof-Episode und ein schlechtes Ergebnis einbrockte. Das darauf folgende Desaster der CSU bis zur Entmachtung Stoibers ließ Söder tatenlos laufen.

Dass zum Schluss alle über ihn herfallen, weil er die Wiederwahl des Bundespräsidenten Horst Köhler für den Fall in Zweifel gezogen hat, dass dieser den Exterroristen Christian Klar begnadigt, ist allerdings ein Akt der Unehrlichkeit. Hätte Köhler das tatsächlich getan, wäre Söders Meinung in der CSU durchaus salonfähig geworden. Jetzt, wo Köhler sich der Union gebeugt hat, kann man das leicht als dummen Söder-Spruch abtun. Es gilt die CSU-Faustregel: Wenn morgens früh die Sonne lacht, hat’s der Parteichef selbst gemacht, haut’s aber Schnee und Regen her, dann war’s der Generalsekretär. Aber was ist das bisschen Ärger gegen die Aussicht, bald mit nur 40 Jahren Kabinettsmitglied zu sein? Zum Beispiel Wirtschaftsminister.