Was Sie über Exif wissen sollten

DATEN Constanze Kurz und Frank Rieger vom Chaos Computer Club wollen eine neue digitale Mündigkeit

Constanze Kurz und Frank Rieger sind beide Sprecher des Chaos Computerclubs und sie haben ein Buch geschrieben, das „Die Datenfresser“ heißt. Damit wollen sie zeigen, „wie Internetfirmen und Staat sich unsere persönlichen Daten einverleiben“. Sie haben eine klare Agenda. Das Datensammeln ist ihnen äußerst suspekt.

Handyfunkzellen, die immer exakter unseren Aufenthaltsort übermitteln. Biometrie-Daten im Pass, mit denen Menschen nach bestimmten Kriterien aus Mengen gesiebt werden können. Google und Facebook, die uns auf fast jedem virtuellen Schritt begleiten. Junge Start-up-Firmen, die unsere Adressdaten, unser Einkaufsverhalten, unsere Freizeitvorlieben registrieren – um das alles dann zu verkaufen, nach dem Muster: „dauerhaft speichern, abgleichen, anreichern, verfeinern, weiter aufheben“. So entstehen immer exaktere Profile von Online-Bewegungen und Offline-Aktivitäten. Wer nichts zu verbergen hat, muss ja keine Angst haben, oder? Nein, erwidern Kurz und Rieger. Jeder hat etwas zu verbergen. Die Frage sei nur, vor wem.

Die jüngsten Datenlecks bei Sonys Playstation, die Bewegungsprofile, die Apples iPhones erstellen, all das sind Argumente für ihre These. In „Die Datenfresser“ gehen die Autoren mit Belegen und Quellen allerdings recht sparsam um.

Und dann gibt es da auf Seite 175 noch den Exif-Fall. Exif – Exchangeable Image File Format. Constanze Kurz und Frank Rieger denken sich eine Geschichte aus, die verdeutlicht, warum wir uns alle dafür interessieren sollten. Exif sind Informationen, die an digitalen Bildern hängen. Sie halten fest, mit welcher Kamera oder mit welchem Smartphone ein Foto gemacht wurde, wann es entstanden ist, und manchmal auch, wo – die Geokoordinaten sind dann angeheftet.

Der Web-2.0-geschulte Einbrecher Roger also kann über die Fotos, die eine gewisse Lydia auf Facebook veröffentlicht, ziemlich genau ihren Alltag rekonstruieren. Wohnung, Arbeitsplatz, Sportverein. Dank der Geokoordinaten aus den Bildern. Weil Lydia getwittert hat, wie sehr sie sich über ihre neue Kamera freut, weiß Roger auch davon. Und als Lydia eines Abends über den Facebook-Lokalisierungsdienst Places signalisiert, dass sie gerade im Kino ist, bricht Roger die Tür zu ihrer Wohnung auf und klaut die Kamera.

Kurz und Rieger erzählen das als fiktive Geschichte, auch wenn sie beteuern, dass es in dem Fall eine Zusammenstellung „tatsächlicher Vorkommnisse“ sei. Die Quellen fehlen zwar. Aber zunächst einmal denkt man: Wow, ganz schön krass! Etwas ärgerlich wird es, wenn man dann spaßeshalber versucht, in fremden Facebook-Fotos die Exif-Informationen zu erkennen. Das nämlich geht gar nicht. In Blogs kann man recht zügig nachlesen, warum: Facebook löscht sie beim Hochladen offenbar. Wow, ganz schön krass! Denkt man wieder. Und fühlt sich etwas manipuliert. Die Kritik rückt so ein wenig in die Nähe des Sciencefictionhaften, des Verschwörungstheoretischen.

Im Jahr 2021, fürchten Kurz und Rieger weiter, könnte es so weit sein, dass Lebensmanagementsysteme von Google oder Apple morgens individualisierte Nachrichten übermitteln – und die Fitness-Mindestanforderung der Krankenkasse. Bei Unterschreitung droht die Umstufung in den nächsthöheren Tarif. Vom elektronischen Busticket bis zur elektrischen Fahrraderkennung: Alles ist vollstüberwacht. Nur einige wenige Ökoextremisten widersetzen sich. Das ist dann wirklich Sciencefiction.

Die Konsequenz, die die Autoren fordern, ist banal sinnvoll: Der Ausgang aus der selbstverschuldeten Datenunmündigkeit. Was man von ihrem spannenden Denkanstoß verlangen könnte: Ein wenig mehr Datentransparenz. JOHANNES GERNERT

Constanze Kurz, Frank Rieger: „Die Datenfresser. Wie Internetfirmen und Staat sich unsere persönlichen Daten einverleiben und wie wir die Kontrolle darüber zurückerlangen“. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011, 272 S., 16,95 Euro