: Die Suche nach dem passenden Drücker
TÜRKLINKEN Früher wurde auf Details wie Türbeschläge noch mehr Wert gelegt. Heute dominieren dagegen in vielen Wohnungen Baumarkt-Chic und Massenware das Bild. Originalgetreue Nachbildungen alter Bauhaus-Modelle oder Beschläge renommierter Hersteller sind eine schöne, aber nicht ganz billige Alternative
VON SEBASTIAN BRONST
Es gab Zeiten, da wurde auch auf Kleinigkeiten wie Türklinken noch Wert gelegt. Heute ist das in vielen Mietshäusern und Eigentumswohnungen längst Vergangenheit. Dort dominieren oftmals Baumarkt-Chic und Massenware.
Abseits des Mainstreams allerdings haben sich Hersteller und Fachgeschäfte erhalten, die Klassiker, Designer-Beschläge und Modelle mit nicht alltäglicher Oberflächengestaltung vertreiben. Und sie finden bis heute ihre Kunden – bei Architekten, Bauherren und Mietern, die mit Auge fürs Detail auf der Suche nach dem gewissen Etwas sind.
Einer von ihnen ist Nils Bellmann, der das Unternehmen „Beschläge aus Hamburg“ betreibt, in dem von den Bauhaus-Türdrückern bis hin zu den Modellen der renommierten japanischen Edel-Marke West so ziemlich alles zu bekommen ist. Gerade die Klassiker finden nach wie vor ihre Kundschaft, wie der Experte beobachtet, der aus einer alten Beschläge-Händlerfamilie stammt und sein Wissen zu Herstellungstechniken, Design und Geschichte der Tür- und Fensterdrücker unter anderem auch in einem Blog auf der Firmen-Website zur Verfügung stellt. „Es gibt sehr viele Beschläge, die ein Jahrhundert am Markt und immer noch gefragt sind.“
Zu den Dauerbrennern in Bellmanns Sortiment zählen unter anderem die vom Gründer des Bauhauses Walter Gropius, der Architekten Adolf Meyer oder Mies van der Rohe, dem Designer des Funktionalismus Ferdinand Kramer und anderen entworfenen Varianten der Bauhaus-Garnituren, absolute Klassiker des Gebrauchsdesigns. Der sogenannte Gropius-Drücker etwa mit seiner charakteristischen Kombination aus abgewinkeltem Vierkantstab und Zylindergriff, den der Architekt in den 1920er Jahren entwarf und danach gelegentlich in seinen Bauten einsetzte, gibt es bis heute in zig Varianten: als Rosetten- oder Langschildmodell, aus Messing, Chrom oder Nickel oder mit einer Grifffläche aus Ebenholz. Gleiches gilt für die Modelle von Mies van der Rohe.
Ebenfalls bis heute zum Programm gehören die Drücker im Jugendstil- oder Art nouveau-Design sowie der Art déco – kunst- und designgeschichtlichen Stilen an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Aber während solche Ikonen der Gestaltung immer ihre Liebhaber finden, beobachtet Bellmann parallel immer wieder auch Gegenströmungen. So bewegten sich die Architekten, mit denen er zusammenarbeite, zuletzt beispielsweise eher wieder weg vom Bauhaus, erzählt er. „Sehr technische, geometrische Formen sind im Kommen.“ Ein weiterer Trend seien auf ungewöhnliche Weise veränderte Oberflächen – etwa in Form bronzefarbener Patina oder auch schwarz-satiniert.
Bellmann arbeitet wie andere Anbieter mit ausgesuchten Handwerkern, Manufakturen oder Firmen zusammen, die die gewünschten Beschläge in der gewünschten hohen Qualität anfertigen. Originale sind heute kaum mehr zu finden, aus den Bauhaus-Reihen etwa haben sich höchstens Einzelstücke aus den 1920er-Jahren erhalten. Viele Türklinken wurden ursprünglich nur in relativ kleinen Mengen gefertigt, ehemalige Hersteller wie die Berliner Firma Loevy gibt es schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Das verbaute Material in Wohnungen fiel über die Jahrzehnte den Renovierungen zum Opfer.
Was bleibt, ist die Rekonstruktion anhand alter Original-Muster, Zeichnungen oder Fotos. Es gibt eine ganze Reihe von Herstellern, die sich darauf spezialisiert haben. „An die vergeben wir dann Aufträge“, sagt Bellmann. Auch Sonderanfertigungen auf Kundenwunsch seien auf diese Weise möglich, etwa der Nachbau einzelner Türdrücker, um eine Wohnung wieder zu komplettieren. Daneben gibt es auch einige Firmen mit durchgehender Tradition, etwa die italienische Beschlag-Schmiede Olivari, die seit 1911 existiert und bis heute mit international renommierten Designern zusammenarbeitet.
Eine Kehrseite allerdings hat das Streben nach dem perfekten Türdrücker abseits der Norm: Sie haben nämlich ihren Preis. Kosten im Bereich von 90 bis 150 Euro je Garnitur müssen für derartige originalgetreue Nachbildungen alter Bauhaus- oder Art déco-Beschläge renommierter Hersteller schon hingelegt werden. Manchmal sind sie sogar noch teurer. In ähnlichen Preislagen bewegen sich die Kollektionen von West oder Olivari. Wer in seiner Wohnung auf gängige Baumarkt-Optik verzichten möchte, für den kommt da schon einiges zusammen.