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Archiv-Artikel

Die wollen nur spielen

Finanzminister Linssen will zur Aufklärung des FH-Skandals in Gelsenkirchen „Bluthunde“ einsetzen. Doch alle Parteien im NRW-Landtag sträuben sich, einen Untersuchungsausschuss zu beschließen

VON KLAUS JANSEN UND MARTIN TEIGELER

Der nordrhein-westfälische Landtag wird vorerst keinen Untersuchungsausschuss zum Gelsenkirchener FH-Skandal beschließen. Nach taz-Informationen zögern alle vier Landtagsfraktionen, das schärfste Instrument der parlamentarischen Aufklärung zu nutzen. „Das Thema ist im Haushaltskontrollausschuss derzeit gut aufgehoben“, sagte die grüne Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann. Auch CDU, SPD und FDP kündigten gestern an, die Verschwendung von bis zu 35 Millionen Euro an Fördermitteln nicht zum Gegenstand eines U-Ausschusses machen zu wollen.

Mindestens 20 Prozent der Parlamentarier müssten der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zustimmen – doch findet sich niemand, der einen solchen Antrag einbringen würde. „Wir hätten damit kein Problem, sehen aber keinen Anlass“, sagte ein Sprecher von SPD-Oppositionsführerin und Ex-Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft, die wegen ihrer möglichen Verwicklung in die Affäre unter Druck steht. Auch die CDU spart nicht mit Drohungen, will aber nicht den ersten Stein werfen. „Von uns gibt es keine Schnellschüsse“, sagte der CDU-Landtagsabgeordnete Manfred Kuhmichel. Die jetzige schwarz-gelbe Regierung müsse einen Sonderausschuss nicht fürchten – auch wenn mit Verkehrsminister Oliver Wittke ein Christdemokrat im Aufsichtsrat des im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen mittlerweile geschlossenen Inkubator-Zentrums Emscher-Lippe saß.

Während das Parlament einem Sonderausschuss ausweicht, kündigten Landesfinanzminister Helmut Linssen und Wirtschaftsministerin Christa Thoben (beide CDU) eigenmächtige Untersuchungen der NRW-Förderpolitik an. „Richtige Bluthunde“ müssten die Vergabe von Subventionen unter der rot-grünen Vorgängerregierung prüfen, sagte Linssen der WAZ. Sämtliche von der EU in den Jahren 2000 bis 2006 geförderten Projekte sollen nun noch einmal durchleuchtet werden, darunter auch die Zeche Zollverein in Essen und Medizintechnikgründungen im Ruhrgebiet.

Die Subventionsempfänger im Revier sehen sich bereits einem Generalverdacht ausgesetzt und reagierten wütend auf Linssens Ankündigung. „Wir werden in die Nähe von Kriminellen gerückt. Das ist geschäftsschädigend“, sagte Roland Weiss, Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft Zollverein. Er verwies darauf, dass die 120-Millionen-Euro-Förderung des Weltkulturerbes bereits von der EU, vom Landesrechnungshof und von externen Wirtschaftsprüfern begutachtet worden sei. Die grüne Fraktionschefin Löhrmann warnte die Landesregierung davor, mit ihren „breiten statt schnellen“ Ermittlungen von eigenen Versäumnissen im FH-Skandal ablenken zu wollen.

Die Staatsanwaltschaft Bochum begann gestern unterdessen mit der Vernehmung des in der vergangenen Woche inhaftierten Ministerialdirektors Rainer D. Laut Oberstaatsanwalt Eduard Güroff wollten die Ermittler dabei zunächst den „Background“ der Förderpraxis des Landes abklären. Der Beamte D. war unter Rot-Grün im Finanzministerium für die Mittelvergabe an Förderprojekte zuständig und soll für positive Bewilligungsbescheide Geld kassiert haben. Die Vernehmung des Verdächtigten soll frühestens in der kommenden Woche beendet werden.