: Haftstrafe nach Neonazi-Angriff auf Tänzer
PROZESS Berufungsverfahren führt zu Straferlass statt der erhofften härteren Verurteilung
Mit fest geschlossen Lippen hört Claudius C. im Landgericht Kiel der Urteilsverkündung zu. Keine Miene verzieht der ehemalige Tänzer, als die Vorsitzende Richterin am Montag Christopher R. zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Christopher R. hatte mit einem Schlag das Leben des Tänzers zerstört. In der Berufung verringerte sich seine Strafe jetzt um vier Monate. „Unglaublich“, sagte die Lebensgefährtin des Opfers. „So einfach kommt der weg.“
Am 18. April 2009 habe R. zusammen mit seinen damaligen Kameraden aus der rechten Szene habe einen Infotisch eines Anti-Rechts-Bündnisses angreifen wollen. Der Tänzer war nur zufällig vor Ort. Mit voller Wucht habe Christopher R. aus niederen Gründen auf den überraschten C. eingeschlagen. „Das muss eine drastische Strafe zur Folge haben“, sagte sie und widersprach dem Verteidiger R.s, der eine Bewährungsstrafe gefordert hatte.
Die Richterin folgte aber auch nicht dem Anwalt des Tänzers: Er hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt, um eine Verurteilung wegen gefährlicher und nicht nur schwerer Körperverletzung zu erreichen. Der Grund: die schweren Folgen. Gestern legte ein Sachverständiger dar, dass C. durch den Schlag für immer einen Teil seines Hörvermögens und den Gleichgewichtssinn verloren sowie einen dauerhaften Hirnschaden erlitten habe. Der Überfall führte überdies zu einer schweren Depression.
Die Richterin erklärte, Claudius C. sei der Rechtssprechung nach zu wenig beeinträchtigt, um ein härteres Urteil zu rechtfertigen. ANDREAS SPEIT