: Prädikat: nicht barrierefrei
Wohl denen, die auch im Alter noch gesund und mobil sind: In Bremen fehlt es an barrierefreien Wohnungen, und eine Umrüstung ist teuer. Vor allem die beliebten Altbremer Häuser sind alles andere als altenfreundlich
So ein Altbremer Haus sieht zwar heimelig aus, ist aber ein Problem, ein potenzielles jedenfalls. Nicht, solange seine BewohnerInnen reich und gesund sind. Wohl aber, wenn sie arm und mehr noch: krank werden. Da sind zunächst einmal die Stufen vor der Haustür, gefolgt vom bisweilen schmalen Windfang, den oft engen, steilen Treppen nach oben. Wohl dem, der keinen Rollator braucht, auch im Alter noch gut zu Fuß ist. Zumal Bad, Küche und Wohnzimmer nicht selten auf drei Geschosse verteilt sind. Barrierefreies Wohnen sieht anders aus.
Mehr als 90 Prozent aller älteren Menschen leben in Wohnungen, die oft noch aus den fünfziger und sechziger Jahren stammen. An barrierefreies Wohnen dachte damals noch kaum jemand, und die einschlägige DIN-Norm 18025 gab es seinerzeit auch noch nicht. Sie kennt 32 verschiedene Qualitätsanforderungen – bei denen es beispielsweise um schwellenlose Eingangsbereiche geht, um Haltegriffe in Nasszellen, um Abstellflächen für Rollatoren. „Das Altbremer Haus ist in keiner Weise entsprechend konfiguriert“, sagt Bausenator Ronald-Mike Neumeyer (CDU).
Ende 2005 hat er eine Haushaltsbefragung bei der Gewos in Auftrag gegeben, derzufolge rund 90 Prozent aller heute 70- bis 85-Jährigen solange als möglich in ihren alten Wohnungen bleiben möchten. Wie das im Zweifelsfall zu realisieren ist, ist einer jetzt veröffentlichten Broschüre des Vereines Komfort e.V. zu entnehmen, der im Auftrag der Architektenkammer Beratungsarbeit leistet.
Bislang sind entsprechend ausgestattete Wohnungen in Bremen Mangelware, doch genaue Zahlen gibt es bislang keine. „Viele sind es aber nicht“, sagt Manfred Eisinger, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Wohnungswirtschaft in Bremen und Bremerhaven mit Blick auf rund 80.000 Mietwohnungen. „Sie sind sehr begehrt, aber selten auf dem Markt.“ Und die Nachfrage werde steigen, sagt Neumeyer, dafür sorge allein schon die demographische Entwicklung. „Barrierefreiheit muss mittelfristig eine Selbstverständlichkeit werden.“
Schon deshalb, weil Heime für alte Menschen im Allgemeinen nicht nur unbeliebt seien. Sondern auch „eine erhebliche Belastung für die Volkswirtschaft“, wie Neumeyer sagt. Und auf Dauer sei es auch für die Wohnungswirtschaft preiswerter, so Eisinger, den Bestand anzupassen, als Leerstände in den oberen Etagen zu riskieren.
Erst einmal gilt es aber, noch Überzeugungsarbeit bei den potenziell Betroffenen zu leisten. Die wenigsten von ihnen glauben – und auch das förderte die Gewos-Umfrage zu Tage – dass sie barrierefreies Wohnen selbst einmal nötig haben könnten. Das Problem, sagt Neumeyer, seien dabei weniger diejenigen, die einstmals im Bremer Speckgürtel großflächig gebaut hätten. „Die muss man nicht überzeugen.“ Im Gegensatz zu vielen StädterInnen. „Die sind sich des Problems oft noch gar nicht richtig bewusst.“
Und auch nicht der drohenden Kosten: Allein ein Treppenlift für ein paar wenige Stufen bis zur Haustüre schlägt laut der Beratungsstelle Komfort mit mehreren tausend Euro zu Buche.
Jan Zier
Mehr Informationen unter www.kom-fort.de oder ☎ 79 01 10