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FREIHANDEL Bundesweit protestieren Menschen gegen das geplante Abkommen mit den USA. Brüssel zeigt sich derweil resistent – gerade, was den Investitionsschutz angeht

„Ich hoffe, dass Ceta die Blaupause für TTIP sein wird“

EU-HANDELSKOMMISSAR DE GUCHT

AUS BERLIN CHRISTIAN JAKOB

Eine kürzere Demo hat Berlin-Kreuzberg lange nicht gesehen: Keine halbe Stunde zogen die Gegner des Freihandelsabkommens TTIP am Samstagnachmittag um den Block. Knapp tausend Menschen, Linksparteiler und Grüne, aber auch Umweltschützer forderten ein Ende von „Demokratieabbau und Ausplünderung im Auftrag der Monopole“, wie es auf einem Transparent hieß.

In rund tausend Städten fanden am Samstag nach Angaben von Attac ähnliche Aktionen statt. Globalisierungsgegner, Verbraucherschützer und Umweltverbände hatten zum Protest gegen das Vertragswerk aufgerufen. Sie schredderten vor dem Brandenburger Tor symbolisch Freihandelsverträge oder deckten auf der Berliner Oranienstraße einen Restauranttisch, das Menü: „Chlorhühnchen, gefüllt mit Monsantomate, dazu Genspargel mit Sauce hormondaise“ – in Anspielung auf die befürchtete Aufweichung von Lebensmittelvorschriften durch das Abkommen zwischen der EU und den USA.

Insbesondere stören sich die TTIP-Gegner an Investitionsschutzklauseln, die der Vertrag enthalten soll. Sie würden Unternehmen die Möglichkeit geben, Regierungen vor internationalen Schiedsgerichten zu verklagen, wenn diese Entscheidungen treffen, die ihre Rendite schmälern.

„Das Abkommen ist Ausdruck einer verfehlten Handelspolitik. Es ist unfair gegenüber der ganzen Welt“, sagte die grüne EU-Abgeordnete Ska Keller bei der Demo in Kreuzberg. „Aber im Parlament alleine werden wir das nicht stoppen können.“ Keller erinnerte an das Ende des Anti-Piraterie-Abkommens Acta, das 2012 nach Massenprotesten im EU-Parlament scheiterte. Attac behauptete am Sonntag, „Hunderttausende“ hätten sich an dem Aktionstag beteiligt, untermauerte das aber vorsichtshalber nicht mit Teilnehmerzahlen aus den einzelnen Städten.

Dass es bei der Berliner Demo derart zackig zuging, könnte auch damit zu tun gehabt haben, dass der Schwerpunkt der Aktivisten derzeit auf der Sammlung von Unterschriften liegt. Bis Sonntag kamen sie auf 520.000, was umso bemerkenswerter ist, als die Aktion erst am vergangenen Dienstag begonnen hatte. 260 Organisationen aus 23 EU-Mitgliedstaaten, vom Weltladenverband bis zur Richtervereinigung, haben sich für die Sammlung zu einer „selbst organisierten Europäischen Bürgerinitiative“ zusammengeschlossen. Eine formelle Bürgerinitiative, die die Kommission zur Befassung mit einem Thema zwingen kann, war nicht zustande gekommen. Dafür wäre die Zustimmung der EU-Kommission nötig – doch die lehnt eine solche Petition zu TTIP ab.

Womöglich zeigen die Proteste bereits Wirkung. Wie der Spiegel am Sonntag berichtete, haben mehrere EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, sich gegenüber der Kommission gegen die Investitionsschutzklauseln ausgesprochen. „Demokratisch gewählte Regierungen müssen politische Entscheidungen zum Beispiel im Energiesektor fällen können, ohne dass Unternehmen sie wegen der wirtschaftlichen Folgen vor ein Schiedsgericht ziehen können“, sagte etwa Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Während der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Schutzklauseln kritisch sieht, äußerte seine designierte Handelskommissarin Cecilia Malmström Skepsis, ob diese aus TTIP herauszuhalten seien.

Auch an anderer Stelle knirscht es in Sachen Freihandel, nämlich beim gerade zu Ende verhandelten Abkommen Ceta mit Kanada. Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte verlangt, die Investitionsschutzklauseln aus Ceta zu streichen. Der noch amtierende EU-Handelskommissar Karel De Gucht wies das zurück. „Das Abkommen wird von mir kein Jota geändert. Ich hoffe, dass Ceta die Blaupause für TTIP sein wird, denn es ist ein hervorragendes Abkommen für Europa.“ Die USA könnten nicht hinter die mit Kanada erreichten Standards zurückfallen. Der Investitionsschutzteil sei unverzichtbar.