: Wie Matze- Klöße in der Suppe
Die ganze Welt trifft sich in Tel Aviv: Junge Bands wie Boom Pam und Balkan Beat Box spiegeln Israels multikulturelle Identität in ihrem Sound
Von THOMAS WINKLER
Wenn Boom Pam zum Tanz aufspielen, dann werden neue Meta-Ebenen erschlossen. Dann trifft der Orient auf den Okzident, arabische Harmonien auf griechische Folklore und eine bayerisch anmutende Tuba, russische Sentimentalität auf kalifornische Surf-Gitarren, afrikanische Melodik auf klassische Komponisten. Dann stellt sich die Frage: Sind Boom Pam postmodern? „Wir sind postpostpostpostpostmodern“, lächelt Gitarrist Uri Brauner Kinrot.
Solche Musik kann wohl nur in einem Land wie Israel mit seinen vielen Einflüssen aus der ganzen Welt entstehen. Denn die Mixtur ist nicht etwa geplant, sondern bestenfalls „unbewusst konstruiert“, wie Tuba-Spieler Yuval „Tuby“ Zolotov meint. Dass Boom Pam klingen, wie sie klingen, ist nicht wirklich überraschend, wenn man die Lebenswege und musikalischen Hintergründe der vier Mitglieder betrachtet: Bevor sie sich zu Boom Pam zusammenfanden, haben die vier Jungs klassische Musik gespielt, Jazz und Folklore, 50ies-Rockabilly, aber auch mal Latin-Musik, Heavy Metal, Garagenrock, Avantgarde. Ihre Eltern kamen einst aus Russland, Rumänien, Usbekistan, Deutschland, der Tschechoslowakei, Italien und der Ukraine nach Israel, und Schlagzeuger Dudu Kohav hat eine Zeit lang in New York gelebt. In Folge dessen, findet Gitarrist Kinrot, würden Boom Pam funktionieren wie ein Matze-Klößchen, das in einem Teller Suppe schwimmt. Der Teller ist Israel, und das Matze-Klößchen nimmt unweigerlich den Geschmack der Suppe an.
Ein ähnliches Süppchen rühren Balkan Beat Box an. Osteuropa führt das Trio schon im Bandnamen, groß geworden sind sie aber in Tel Aviv. Mittlerweile leben sie in New York und erweitern die erwartbaren Einflüsse noch einmal um tanzbodentaugliche Elektro-Beats und Elemente aus Jamaika und Lateinamerika. Ihr neues Album haben sie „Nu Med“ getauft, kurz für „New Mediterranean“ – wohl auch in der Hoffnung, Israel könne dereinst Teil dieses Zusammenhangs werden. „Wir glauben nicht an Nationalitäten und Grenzen“, lassen sie verlauten und führen in ihrer Musik Ost und West, Nord und Süd friedlich zueinander.
Instinktiv suchen beide Bands nach den Bruchstellen im angeblichen Kampf der Kulturen und schließen sie ein wenig. Als ausdrücklich politische Bands mögen sie sich trotzdem nicht sehen. Boom Pam spielen vernehmlich Instrumentals: Wenn denn mal gesungen wird, dann fast ausschließlich über das schöne Geschlecht und den Spaß, den man gemeinsam haben könnte. Ihr Sound aber steht ebenso wie der von Balkan Beat Box für den Traum vom funktionierenden Zusammenleben der Kulturen. In diesem Traum leben die Menschen im Nahen Osten friedlich miteinander, reichen sich die Kulturen die Hände, finden Juden und Muslime, Israelis und Palästinenser einen gemeinsamen Weg aus der Krise. „Könnten die Menschen nur so einfach zusammenleben wie die Einflüsse in der Musik“, sagt Boom-Pam-Schlagzeuger Dudu Kohav, „dann gäbe es keine Probleme“.
Boom Pam: „Boom Pam“ (Essay/Indigo); Balkan Beat Box: „Nu Med“ (Crammed/Indigo)