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Archiv-Artikel

Für 250.000 von 2,1 Millionen Kids gibt’s Plätze – zu wenig

Im Osten liegt die Versorgung bei 40 Prozent. Im Westen gibt es nur für 3 von 100 Kindern Krippenplätze. 60 Prozent der Eltern wollen mehr

BERLIN taz ■ Man kann nie oft genug nachzählen, ob man noch alle sieben Sinne beieinander hat. Wochenlang beherrschte Ursula von der Leyen die Republik, weil sie ausdrückte, was alle wissen: Es gibt zu wenig Krippenplätze für unter Dreijährige. Derzeit sind es rund 250.000 – das heißt rund 12 Prozent der 2,1 Millionen Dreijährigen haben die Chance auf einen Platz. Aber der Fraktionschef der Union will’s noch mal hören. Volker Kauder sagte, man müsse herausfinden, „wie die Lage wirklich ist“.

Wie die Lage wirklich ist, weiß man aber. Dafür hat es eine kluge Expertise gegeben, den 12. Kinder- und Jugendbericht, in dem Kapazitäten wie der Familienforscher Hans Bertram Auskunft über den Bedarf gaben. Frau von der Leyen hat ihre Schlüsse daraus gezogen: Sie forderte 500.000 Kitaplätze bis zum Jahr 2013 – zusätzlich. Dann käme man auf 750.000 Kitaplätze für die Ein- bis Dreijährigen, rund ein Drittel bekäme dann einen Platz. Als eine illustre Koalition von Bischof Walter Mixa bis zur Moderatorin Eva Herman daran zweifelten, sagte von der Leyen: „Wir sollten nicht versuchen, die 50er-Jahre wieder auferstehen zu lassen im Jahr 2010“. Ob die Warnung an die eigene, die Unionsfraktion ging?

Die gesellschaftliche Wirklichkeit in den Bundesländern ist unübersichtlich. Im Osten gibt es bereits jetzt für rund 40 Prozent der Kleinkinder Kitaplätze. Im Westen sieht es trübe aus. In Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und im Saarland kommen auf 100 Kinder unter drei Jahren nur 2 bis 4 Plätze. Die Zahlen in den Kommunen wandeln sich ständig, weil die Bürgermeister gar nicht so schnell Plätze ausbauen können, wie Eltern sie nachfragen. Bonn zum Beispiel wollte bis 2010 auf 20 Prozent Plätze für Kinder unter drei Jahren kommen. „Die Nachfrage ist aber größer“, sagt Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) – und will den Ausbau von derzeit knapp 18 Prozent beschleunigen.

Recht hat sie. Nach Befragungen des Deutschen Jugendinstitutes wünschen über 60 Prozent der befragten Eltern, dass zweijährige Kinder in Krippen betreut werden. Das ist in etwa auch der Wert, der international bestimmend ist. 66 Prozent der kleinen Schweden finden einen Kitaplatz, in Dänemark sind es gar 85 Prozent.

Experten reagieren genervt auf dauernde Zählappelle. „Wir haben keinen Bedarf an Bedarfserhebungen, wir brauchen Plätze“, sagte der Kitasprecher im GEW-Vorstand, Norbert Hocke, der taz. CHRISTIAN FÜLLER