: Bei Verdacht Knast
VON FELIX LEE
Potenzielle „Störer“ des G-8-Gipfels in Heiligendamm sollen bis zu 14 Tage in Polizeigewahrsam genommen werden können. Das forderte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gestern – zwei Tage nach der „Terrorrazzia“ gegen linke Teile der globalisierungskritischen Bewegung.
Zur Begründung für die vorbeugenden Verhaftungen erklärte Schäuble in der Bild-Zeitung, die Bedrohungslage vor dem Gipfel im Juni sei durchaus ernst zu nehmen. „Wir sollten gewarnt sein: Während des G-8-Treffens in Gleneagles hat es die schrecklichen Anschläge von London gegeben“, sagte der Innenminister – und stellte damit Globalisierungskritiker indirekt auf eine Stufe mit islamistischen Terroristen.
Schäubles Forderung ist durchaus umstritten. Mecklenburgs-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) blieb bei der Vorstellung des Sicherheitskonzepts für den G-8-Gipfel gestern in Berlin dabei, man werde Gewalttätern mit einer Mischung aus Deeskalationsstrategie und konsequentem Durchgreifen begegnen. Unterstützung erhielt Schäuble dagegen von Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU). Dieser kündigte an, das Schengen-Abkommen für freien Grenzverkehr notfalls für die Zeit der Gipfelproteste auszusetzen, um militante Demonstranten aus dem europäischen Ausland bereits an den Landesgrenzen abweisen zu können.
Zudem soll das Verteidigungsministerium während der Gipfeltage 1.100 Bundeswehrsoldaten zur Verfügung stellen. Deren Aufgabe soll darin bestehen, den G-8-Gipfel von der Luft und von der Ostsee aus abzusichern, so de Maizière. Im Gespräch ist der Einsatz von zwei Minenjagdbooten. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) versicherte, dass es sich dabei nicht um einen Bundeswehreinsatz im Innern handle, wie Schäuble ihn anstrebt. Vielmehr handle es sich lediglich um „Amtshilfe“ des Militärs für die Polizei. Diese will insgesamt 16.000 Sicherheitskräfte in den Gipfelschutzeinsatz schicken.
Um potenzielle Gewalttätern besser abzuschrecken kündigte Caffier an, dass Straftaten während der Gipfeltage in einem beschleunigten Verfahren geahndet werden können. „Wir werden alles tun, damit wir einen friedlichen Gipfel haben.“
Aus Schwerin wurde gestern bekannt, dass die Polizei bereits dabei ist, Gefangenensammelstellen bereit zu stellen. Im Gespräch ist wohl auch der Einsatz von speziellen Geräten, die einen schrillen Sirenenton von sich geben. Auch damit könnten unliebsame DemonstrantInnen vom Tagungsort ferngehalten werden, heißt es. Die Polizei in Schwerin wollte den Einsatz dieser Geräte gestern nicht bestätigten.
Kanzleramtsminister de Maizière verteidigte erneut die jüngsten Razzien bei Projekten und in Wohnungen von Angehörigen der linken Szene. Die Durchsuchungen in Brandenburg, Berlin, Niedersachsen, Hamburg und Schweswig-Holstein hätten auf richterlichen Beschlüssen beruht. Es sei nicht Aufgabe der Politiker, laufende Ermittlungen zu kommentieren, so der Kanzleramtsminister – um dann zu bestreiten, dass es bei der Aktion des Bundeskriminalamts darum ging, die GlobalisierungskritikerInnen einzuschüchtern. Die Bundesregierung werde das Recht der DemonstrantInnen auf freie Meinungsäußerung respektieren, sagte de Maizière.
Am Mittwoch hatten über 900 Polizisten in sechs Bundesländern insgesamt 40 Wohnungen und linke Zentren durchsucht und dabei Computer, Datenträger und kistenweise Unterlagen beschlagnahmt. Gegen 20 Betroffene wurden Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung aufgenommen. Daraufhin war es bundesweit zu zahlreichen Protesten gekommen.