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Archiv-Artikel

Tödliche Schüsse aus Angst

SITTENSEN-PROZESS Ein 80-jähriger Rentner hat nach einem Überfall einen 16-Jährigen erschossen. Die Staatsanwaltschaft glaubt, er handelte in einer akuten Belastungssituation und fordert Freispruch

Als die Täter flüchteten, schoss der damals 77-jährige ihnen mit einer Pistole hinterher

Im Prozess wegen Totschlags gegen einen 80 Jahre alten Rentner aus Sittensen hat die Staatsanwaltschaft am gestrigen Montag einen Freispruch für den Angeklagten gefordert. Aus purer Angst um sein Leben habe er die tödlichen Schüsse nach einem Überfall in einer akuten Belastungsreaktion abgegeben, auch wenn es objektiv keine Notwehr gewesen sei, sagte der Anklagevertreter vor dem Landgericht Stade.

Der Rentner hatte im Dezember 2010 einen 16-jährigen Jugendlichen erschossen, als dieser ihn gemeinsam mit vier anderen Männern in seinem Haus im Kreis Rotenburg/Wümme überfiel. Als die Täter flüchteten, schoss der damals 77-jährige ihnen mit einer Pistole hinterher. Dabei wurde der 16-jährige verletzt und starb. Das Plädoyer des Staatsanwalts musste für 15 Minuten unterbrochen werden, weil der 80 Jahre alte Angeklagte während der Schilderung des Geschehens in einen starken Weinkrampf ausbrach.

Auch die Mutter des getöteten Jugendlichen kämpfte die meiste Zeit mit den Tränen. Der Nebenkläger-Vertreter beantragte eine Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlichen Totschlags, ohne ein Strafmaß zu fordern.

Nach Ansicht des Staatsanwalts kann der Rentner eine Notwehr-Lage für sich in Anspruch nehmen, da der frisch am Knie operierte Mann den jungen Tätern unterlegen gewesen sei und irrtümlich meinte, einen Schuss gehört zu haben. Sein Handeln sei von der subjektiven Angst bestimmt und daher im rechtlichen Sinne entschuldbar gewesen.

Der Verteidiger des Angeklagten will sein Plädoyer am 22. Oktober halten. Mit einem Urteil wird dann am 27. Oktober gerechnet.  (dpa)