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Archiv-Artikel

Meisterschaftsverderberderby

Schalke verliert das zweite Revierderby innerhalb von zwei Wochen und damit wohl auch die deutsche Meisterschaft. Letzte Hoffnungen ruhen nun auf der Gelsenkirchner Partnerstadt Cottbus

„Jammern können wir, wenn es vorbei ist“, schlug Fabian Ernst vor

AUS DORTMUND MARCUS BARK

Die Marketingabteilung von Borussia Dortmund ist auf den schnellen Euro aus. Schon ein paar Stunden nach dem 2:0-Sieg gegen den FC Schalke 04 warb der Verein auf seiner Internetseite für ein Trikot, das ab Montagmittag im Handel sein wird. Auf der Brust prangt statt des Sponsorenlogos die Aufschrift „Derbysieger 12. Mai 2007“. Das Trikot würde sich vermutlich noch wesentlich besser verkaufen, wenn dort „Schalker Meisterschaftsverderber 06/07“ stehen würde.

Noch haben die Schalker die Möglichkeit, am kommenden Samstag den VfB Stuttgart von der Tabellenspitze zu verdrängen und nach 49 Jahren wieder Deutscher Fußball-Meister zu werden. Aber wer setzt darauf, dass der FC Energie Cottbus den Schwaben in ihrem Ländle einen Streich spielen wird? „Es ist schwer, daran zu glauben, dass wir es noch schaffen können“, sagte Mirko Slomka am Samstag. Beim Trainer hatte der sonst übliche Reflex versagt, der den Befehl zum freundlichen Gesicht gibt, wenn die Kamerascheinwerfer eingeschaltet werden.

Slomka war entsetzt, sein Traum scheint zerstört. Manager Andreas Müller lehnte an einer Wand. Als der Mannschaftsbus abfuhr und ihm den Sichtschutz nahm, stürzten sich die Journalisten auf ihn. „Ihr habt doch alles gesehen“, lehnte er einen Kommentar ab und gab gleich noch den Hinweis, auf Dienstreise zu gehen und zwei weitere Tage nicht erreichbar zu sein.

So war es an paar anderen königsblauen Rittern der traurigen Gestalt, sich in Durchhalteparolen zu üben. „Jammern können wir, wenn es vorbei ist“, schlug Fabian Ernst vor. Marcelo Bordon, der ehemalige Stuttgarter, sagte: „Wenn es der VfB schaffen würde, dann Glückwunsch. Aber ich glaube an die Schale.“ Noch in der Kabine hatte der Kapitän mit seinen Kollegen gesprochen, um sie auf das Saisonfinale gegen Arminia Bielefeld einzuschwören, in dem mit einem Sieg zumindest der zweite Platz und die direkte Qualifikation zur Champions League abgesichert wäre.

Die Tür der Kabine wird kaum so schalldicht sein, dass die Schalker von den Dortmunder Freudengesängen verschont blieben. Eine in dieser Saison häufig phlegmatische BVB-Mannschaft mit vielen Mängeln, dem Abstieg vor wenigen Wochen noch nah, erreichte in 90 Minuten Heldenstatus, weil sie dem Erzrivalen in die Suppe spuckte. Der Sprung auf den UI-Cup-Platz wurde von den Fans nur zur Kenntnis genommen.

Die Schalker hatten in ihrem Spiel der Spiele versagt und beklagten ihr Schicksal, das erstaunliche Ähnlichkeiten mit dem Jahr 2001 aufweist, als die Meisterschaft der Herzen der königsblauen Gemeinde Tränen in die Augen trieb. Ein Bericht auf der Internetseite des gestürzten Tabellenführers endete mit dem Satz: „Schalke 04 hätte am 19. Mai 2007 andere Perspektiven verdient.“

Welche Gründe es für den ängstlichen Auftritt gab, der die Perspektiven so enorm verschlechterte, vermochte kein Schalker zu sagen. Gerade bei Kevin Kuranyi wäre eine Antwort interessant gewesen. Doch der Stürmer schlich in den Bus und wehrte mit einer minimalen Bewegung des Kopfes jedes Gespräch ab. Eine Woche zuvor hatte er noch vor Kraft gestrotzt, ein Tor erzwungen, einen Willen demonstriert, der die Mannschaftskollegen mitriss. Nichts davon war am Samstag zu sehen. Eine Ansammlung von Nervenbündeln, in der Bordon eine Ausnahme bildete, fiel unter der Last zusammen, die ihr die Tabelle und die Vereinshistorie aufgebürdet hatte. Und die vor dem Spiel noch so hoffnungsvollen königsblauen Anhänger flüchteten zum Teil noch vor dem Schlusspfiff aus dem Stadion. Sie weinten, sie klagten. Manche hofften, dass die Bundesliga noch einmal verrückt spielt. Denn schließlich ist Cottbus die Partnerstadt von Gelsenkirchen.