: Muss Müll verstaatlicht werden?
Die Städte in NRW schlagen neue Wege ein, um den Dreck ihrer BürgerInnen zu entsorgen. Galten vor Jahren private Entsorger als günstiger, lassen Städte jetzt wieder vermehrt von eigenen Firmen die Tonnen leeren. Sind staatliche Müllmänner günstiger für Stadt und Steuerzahler?
BERND HEITMANN, 51, ist Geschäftsführer der Stadtwerke Fröndenberg. Die sauerländische Kommune hatte zehn Jahre eine privatisierte Müllabfuhr, bevor sie vor drei Jahren wieder kommunalisiert wurde – und Fröndenberg 25 Prozent sparen konnte. Die BürgerInnen seien begeistert, sagt der Betriebswirt: „Wenn mal eine Tonne nicht abgeholt wird, sind wir sofort da.“
JA
Ich bin für eine Rekommunalisierung der Müllabfuhr. Vor gut drei Jahren haben die Stadtwerke Fröndenberg GmbH deshalb die Tochterfirma KommunalService Fröndenberg GmbH gegründet, um die Müllabfuhr und Straßenreinigung zu rekommunalisieren und um ein Lohnniveau zu erreichen, das branchenüblich ist.
Für die Rekommunalisierung sprachen aus unserer Sicht viele Gründe. Ganz wesentlich war, dass wir die Müllabfuhr 25 Prozent preiswerter durchführen konnten als der bis dahin tätige Anbieter. Durch die Übernahme der Müllabfuhr wurde darüber hinaus direkter Einfluss gewonnen auf die Vermarktung des Papiers einschließlich des DSD- Papieranteils. Zusätzliche Verwaltungskosten für diese Tochterfirma fallen kaum an, weil die Infrastruktur der Stadtwerke genutzt wird und sich dadurch Synergieeffekte ergeben. Aus der Rekommunalisierung ergaben sich aber auch weitere organisatorische Vorteile. Der private Anbieter musste arbeitstäglich mit seinen Fahrzeugen rund eine Stunde An- und Abfahrt in Kauf nehmen. Unsere Fahrzeuge dagegen sind nach fünf bis zehn Minuten „an der ersten Tonne“. Das bringt Zeit- und Kostenvorteile, hat aber auch einen wichtigen ökologischen Aspekt.
Nennenswerte Argumente sind auch, dass die Kommunalpolitik direkten Einblick in die gesamte Kosten- und Erlöslage hat und auch Einfluss auf die Servicequalität für die Bürgerinnen und Bürger nehmen kann. Auch wenn die Entleerung einer Tonne einmal übersehen wird, können wir dies in der Regel schnell und unproblematisch nachholen, weil unsere Fahrzeuge immer im Stadtgebiet unterwegs sind. Selbst wenn man kritisch unterstellen würde, dass wir bei europaweiter Ausschreibung ein noch etwas niedrigeres Preisniveau erreicht hätten, ist zu beachten, dass die Gewinne der KommunalService Fröndenberg GmbH in Fröndenberg verbleiben und damit letztlich den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt zugute kommen. Das Personal der Stadtwerke-Tochter wurde aus dem unmittelbaren Umfeld eingestellt und auch Reparatur- und Wartungsaufträge verbleiben nach Möglichkeit vor Ort.
Nach meiner Auffassung macht eine Rekommunalisierung von Aufgaben immer dann Sinn, wenn in der Privatwirtschaft Oligopolmarktstrukturen gegeben sind und zu befürchten ist, dass Leistungen nicht zu wirklich angemessenen Wettbewerbspreisen erbracht werden.
BERND HEITMANN
NEIN
Jahrelange Erfahrungen von privatwirtschaftlichen Entsorgungsfirmen und Spezialisierungen führen zu wirtschaftlichem Arbeiten. Bundesweite und auch darüber hinaus gehende Ausführung von Dienstleistungen bringt umfangreiche Erkenntnisse und stetige Anpassung der Leistung auf den neusten Stand der Technik mit sich. Diese Kostenvorteile können und werden im Wettbewerb weitergegeben.
Kleinere Landkreise wie der Kreis Coesfeld, in denen die Städte und Gemeinden für das Sammeln und Transportieren und der Kreis für die Entsorgung zuständig sind, profitieren durchaus von Leistungsausschreibung am Markt.
Von Bedeutung ist hierbei der Umfang der jeweiligen Leistungsausschreibung. Es muss gewährleistet sein, dass möglichst viele Anbieter Interesse und die Möglichkeit der Leistungserbringung haben. Eine umfangreiche Ausschreibung aller Entsorgungsleistungen eines Landkreises als „Rundum-sorglos-Paket“ über viele Jahre führt hierbei schnell zu Problemen, da nur wenige Firmen mitbieten werden.
Der Ausschreibungsumfang und die Ausschreibungszeiträume sind den örtlichen Begebenheiten anzupassen, dann werden auch durchaus wirtschaftliche Preise erzielt. Die Leistungen können kaum selbst für die im Wettbewerb erzielten Preise erbracht werden, zumal wenn der benötigte Maschinen- und Mitarbeiterbestand nicht vorhanden ist und nur Teilleistungen der Entsorgung betroffen sind.
BRIGITTE VOSS-WERLAND, 44, ist Geschäftsführerin der Coesfelder Wirtschaftsbetriebe. Die Stadt im Münsterland hat 2002 ihre eigene Deponie aufgegeben und seitdem alle Aufträge ausgeschrieben. Zu Beginn hätten die BürgerInnen geschluckt, sagt die Bauingenieurin Voss-Werland. Mittlerweile seien sie aber überzeugt – und könnten sich bei Problemen immer noch ans Rathaus wenden.
Bei Leistungsvergaben bleibt der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger zudem von den unkalkulierbaren Risiken wie Maschinenausfall weitestgehend verschont. Die Entsorgungsunternehmen haben im allgemeinen bessere Möglichkeiten des Ersatzes. Dieses und andere Standards können den Entsorgungsunternehmen auch im Rahmen der Leistungsvergabe abverlangt werden.
Die Erfahrung der zurückliegenden Jahre zeigt, dass im Kreis Coesfeld durchaus durch den bestehenden Wettbewerb gute Entsorgungspreise erzielt werden konnten. Eine Bewertung der derzeitig genannten teilweise sehr hohen Kostenreduzierungsquoten durch eine Rekommunalisierung ist ohne Detailwissen über die Vergleichszahlen – wie Preise aus den Altverträgen – und die Kostenansätze kaum möglich.
Wenn es gelingt, bei Ausschreibungen einen genügend großen Bieterkreis anzusprechen, die Leistungsstandards und -qualität genau zu definieren und deren Einhaltung kontinuierlich zu überwachen – dann muss der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger nicht selbst operativ tätig werden, um für seine Bürger und Bürgerinnen jederzeit eine wirtschaftliche und sichere Entsorgung zu gewährleisten.
BRIGITTE VOSS-WERLAND