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Archiv-Artikel

Ölwechsel bei Fähren sorgt für dicke Luft

Reedereien haben keinen Anreiz, ihre Schiffe umweltverträglich anzutreiben. Nun rüsten auch Vorkämpfer wieder um

STOCKHOLM taz ■ Das „Tor zum Kontinent“ nennt sich Trelleborg. Die Stadt ist der schwedische Gegenpol zum norddeutschen Travemünde, dem „Tor nach Skandinavien“. Für die EinwohnerInnen bringt der massive Auto- und Fährenverkehr aber vorwiegend dicke Luft. Binnen eines Jahres hat sich die Belastung mit Schwefeldioxid (SO2) mehr als verdoppelt. Grund: Die Lübecker Reederei TT-Line hat ihre vier Fährschiffe vom relativ umweltfreundlichen Diesel- auf schmutzigen Schwerölantrieb umbauen lassen. Dieser Entschluss, der so gar nicht in die aktuelle Umweltdebatte passen will, hatte wirtschaftliche Gründe. „Es war ganz einfach unvermeidlich“, sagte Hanja Richter, die Pressesprecherin der Reederei, der taz. Die TT-Line hatte 1995 Umweltmaßstäbe gesetzt, als sie die beiden ersten dieselelektrisch angetriebenen Fährschiffe in Betrieb nahm. Doch seitdem sind die Dieselpreise nach oben geschossen, während das Schweröl in den Raffinerien praktisch als Abfallprodukt anfällt. Zwar habe die Kundschaft auf das Umweltengagement positiv reagiert und man habe auch einige Preise bekommen, heißt es. Aber letztlich sei es einfach zu teuer geworden. In Travemünde gab es nicht einmal Rabatt bei den Liegekosten, sagt Richter. Die schwedische Seefahrtsbehörde habe den Dieselschiffen immerhin einen „grünen Tarif“ zugestanden.

Die Schifffahrt ist auf dem Weg, die größte europäische Schwefeldioxidverschmutzerin zu werden. Wenn die Schiffsmotoren weiterhin die Abfallentsorger der Ölkonzerne sein dürfen, werden sie in zwölf Jahren mehr SO2 produzieren als alle Öl- und Kohlekraftwerke zusammen. Dabei ist ein sauberer Antrieb mit Diesel und zusätzlicher katalytischer Abgasreinigung technisch möglich und vereinzelt bereits Alltag. Doch weil die einzelstaatliche Souveränität spätestens an der Grenze der eigenen Hoheitsgewässer endet, haben nationale Sonderregelungen nur begrenzten Effekt. Was möglich wäre, demonstriert Norwegen, das die im Inlandverkehr eingesetzten Fährschiffe für jedes Kilo Schwefel, das durch die Schornsteine qualmt, zur Kasse bittet. Damit rechnet sich die Umstellung.

Im Fährschiffverkehr der Ostsee gilt seit 2006 statt der noch weithin üblichen 2,7 Prozent ein Maximalschwefelgehalt von 1,5 Prozent oder 15.000 ppm. Ab 2010 sollen die Schwefel-Grenzwerte EU-weit auf 0,1 Prozent sinken, das wären dann 1.000 ppm. Straßendiesel allerdings enthält gerade einmal 10 ppm. An die Katalysatorenpflicht hat die EU noch gar nicht gedacht. Ebenso wenig wie an eine so hohe Besteuerung der Schwefelbrühe, dass diese sich auch in Schiffsmotoren nicht mehr rechnet. REINHARD WOLFF