: Regierungstruppen rücken auf nördliche Grenzstadt vor
SYRIEN Verletzte aus Dschisr al-Schughur streiten in der Türkei offizielle Darstellung der Ereignisse ab
BEIRUT/ANTAKYA dapd/afp | Die syrischen Streitkräfte haben am Mittwoch offenbar einen Angriff auf die nördliche Grenzstadt Dschisr al-Schughur vorbereitet. Die Regierungstruppen stünden vor einer „sehr heiklen“ Operation, hieß es in der dem Regime von Präsident Baschar Assad nahestehenden Zeitung al-Watan. Menschenrechtler berichteten unter Berufung auf Augenzeugen von Panzerkonvois und mehreren tausend Elitesoldaten, die in Richtung Dschisr al-Schughur vorgerückt seien.
Es sei zu befürchten, dass ein umfassender Angriff bevorstehe, sagte der Aktivist Mustafa Osso. Bei den Soldaten, die auf dem Weg nach Norden seien, handle es sich überwiegend um Angehörige der Vierten Division, die dem Bruder des Präsidenten, Maher, unterstehe. Er gehe von einem unmittelbar bevorstehenden Angriff aus, der von der Regierung als „entscheidende Schlacht“ betrachtet werde, sagte Osso weiter.
In dem Bericht der syrischen Zeitung hieß es, bewaffnete Banden hielten in Dschisr al-Schughur Menschen gefangen und hätten Sprengfallen in Dörfern der Umgebung aufgestellt. Viele der Aufständischen versteckten sich im Wald oder in Höhlen. Mit der geplanten Operation sollten weitere Opfer verhindert werden.
Verletzte, die sich in die Türkei retten konnten und dort behandelt werden, geben eine andere Darstellung der Ereignisse. Gewalt von Seiten der Demonstranten oder irgendwelcher Banden habe es in Dschisr al-Schughur nicht gegeben, sagte der 31-jährige Mohammed, der gegen Assad auf die Straße ging. Mehrere Verletzte im Krankenhaus von Antakya stützten seine Aussage. Hasan, ein Mann um die 50, hegte sogar Zweifel, dass es sich bei den Opfern um Sicherheitskräfte gehandelt hat. Er habe nicht einen getöteten Polizisten oder Soldaten gesehen. Die Sicherheitskräfte hätten selbst Feuer im Büro der regierenden Baath-Partei gelegt – „als Vorwand, um Menschen töten zu können“.
In den vergangenen Tagen waren in der Stadt nahe der türkischen Grenze bei heftigen Kämpfen mindestens 120 Angehörige der Sicherheitskräfte getötet worden. Aktivisten zufolge war es zu einer Meuterei von Soldaten gekommen, die sich geweigert hätten, weiter gewaltsam gegen Demonstranten vorzugehen. An der türkischen Grenzen kamen am Mittwoch mehr als hundert syrische Flüchtlinge an, nachdem bereits in den vergangenen Tagen rund 350 Menschen aus der Region um Dschisr al-Schughur aus Angst vor weiterer Gewalt das Land verlassen hatten. Das türkische Außenministerium erklärte, die Flüchtlinge würden in einer vom Roten Kreuz errichteten Zeltstadt in dem Grenzort Yayladagi untergebracht.