: Gabriel will einen Öko-Pakt für Europa
Um Ökologie und Ökonomie zu versöhnen, setzt der Umweltminister auf Innovation – und unterstützende Regulierung
BERLIN taz ■ Die „Dritte Industrielle Revolution“ steht vor der Tür, wenn man Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) glauben kann. „Statt Ökonomie und Ökologie gegeneinander auszuspielen, muss verstanden werden, welche Potenziale ein ökologischer Strukturwandel hat“, sagte Gabriel gestern auf einer Konferenz zu Wirtschaft, Umwelt und Beschäftigung in Berlin.
Um diesem Prozess im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft neue Impulse zu geben, will Gabriel Anfang Juni auf dem Informellen Rat der Europäischen Umweltminister sein Memorandum für eine „ökologische Industriepolitik“ zur Diskussion stellen. Gabriel hatte das Dokument bereits im vergangenen Oktober vorgelegt. Es soll einen Paradigmenwechsel einleiten: Herzstück des „New Deal“ zwischen Wirtschaft, Umwelt und Beschäftigung ist die Energie- und Ressourceneffizienz. Die „ökologische Industriepolitik“ soll helfen, ein ökonomisches Wachstum sicherzustellen, das nicht auf Kosten der Umwelt geht. Entscheidende Faktoren dabei sind laut Gabriel technische Innovation – und eine unterstützende Regulierung. „Der Markt allein ist nicht in der Lage, diese Herausforderung zu meistern“, sagte der Minister. „Wir müssen daran arbeiten, den marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen zu optimieren.“
Ein Beispiel dafür ist die laufende Debatte über eine europaweite ökologische Steuerreform. Die Europäische Kommission hat bereits Ende März ein Grünbuch veröffentlicht, in dem sie vor allem marktbasierte Instrumente zur Förderung einer umweltfreundlicheren Industriepolitik vorstellt. „Sie sollen dazu führen, dass Umweltschäden von den Verursachern bezahlt werden“, sagte Timo Makela von der Europäischen Kommission. Das heißt: Umweltkosten sollen Bestandteil der Preise werden.
Beispiele auf nationaler Ebene gibt es dafür schon in vielen Ländern: Dänemark verlangt eine Verpackungssteuer, Irland hat eine Steuer auf Plastiktüten eingeführt, und in den Niederlanden gibt es ein Handelssystem, das die Emission von Stickstoffoxiden verringern soll. „Die marktbasierten Instrumente sollen gesetzliche Regulierungsinstrumente jedoch nur ergänzen, nicht ersetzen“, sagte Makela. Ziel der Kommission ist es, europaweite Standards für eine umweltfreundlichere Industriepolitik zu vereinbaren.
Der Weg dazu dürfte allerdings noch sehr weit sein: Für verbindliche Absprachen bei Steuergesetzen ist die Zustimmung aller 27 EU-Mitgliedsländer erforderlich. Die Diskussion soll noch bis Ende Juli fortgesetzt werden.
Umweltverbände begrüßen die Initiativen prinzipiell, kritisieren jedoch ihren unverbindlichen Charakter. „Gabriel sagt in seinem New Deal nichts über konkrete Ziele oder Zeitpläne“, sagte Mikael Karlsson, Präsident des Europäischen Umweltbüros. Noch am Wochenende hatte Gabriel in New York die Abschlusserklärung einer UN-Konferenz zur Nachhaltigkeit platzen lassen. Grund: „Das Dokument enthält keine konkreten Maßnahmen zum Klimaschutz“, so Gabriel. TARIK AHMIA