: Deutlicher Herbergs-Zuwachs
FLÜCHTLINGE Fünf Kirchengemeinden in Niedersachsen schützen zurzeit Asylbewerber vor der Abschiebung. Bundesamt murrt, dadurch werde Recht verletzt
Mindestens fünf Kirchengemeinden gewähren zurzeit in Niedersachsen Kirchenasyl und schützen so abgelehnte Asylbewerber vor einer Abschiebung. Die Zahl der Flüchtlinge, die zwischen Ems und Elbe in Kirchen Zuflucht suchen, liege deutlich unter dem Bundesdurchschnitt, sagte Hildegard Grosse vom ökumenischen Netzwerk „Asyl in der Kirche“ gestern in Hannover. Bundesweit befinden sich derzeit rund 300 Personen in 180 Gemeinden im Kirchenasyl.
Zwei Drittel der betroffenen Flüchtlinge fielen unter das Dublin-II-Abkommen der Europäischen Union, so Grosse. Danach müssen Flüchtlinge in dem Land Asyl beantragen, in dem sie erstmals europäischen Boden betreten haben. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte gestern kritisiert, dass die Kirchen immer häufiger Kirchenasyl gewährten. Damit unterliefen sie die Dublin-II-Verordnung, sagte Präsident Manfred Schmidt. Angesichts der geringen Gesamtzahl der Betroffenen sei diese Kritik „ungerechtfertigt“, sagte Grosse. In keinem EU-Staat gebe es so gute Rechts- und Unterbringungsstrukturen wie in Deutschland. Da sei es nicht hinnehmbar, Flüchtlinge in überforderte Staaten zurückzuschicken.
Noch vor knapp einem Jahr war in Niedersachsen offiziell kein einziger Fall von Kirchenasyl bekannt. An welchen Orten es zurzeit Fälle gebe, wollte Grosse gestern nicht mitteilen. Anfang Oktober war bekannt geworden, dass die Gemeinde Lavelsloh bei Nienburg einer libanesischen Familie Kirchenasyl gewährt. 115 Menschen hatten hier friedlich gegen die bereits anberaumte Abschiebung nach Italien demonstriert. Polizisten, die die Familie abholen wollten, mussten unverrichteter Dinge wieder abziehen. Seitdem lebt die Familie im Gemeindehaus.
Das Kirchenasyl für schutzsuchende Flüchtlinge hat keine rechtliche Geltung. Dennoch hat es sich in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten zu einer gängigen Praxis entwickelt. Flüchtlinge leben dabei zeitweilig in Kirchen, um einer Abschiebung zu entgehen. Die Polizei respektiert in der Regel sakrale Räume und verzichtet auf ein gewaltsames Eindringen. (epd)