Umweltschutz wird wertkonservativ

Die CDU in Niedersachsen setzt auf Nachhaltigkeit und will den Anteil erneuerbarer Energien auf 25 Prozent steigen lassen, um dem Klimawandel zu begegnen. Das Wildern in ihrer Marke vergrätzt die Grünen

Einigermaßen verdattert musste Hamburgs Grün-Alternative Liste in der vergangenen Woche in einem Ausschuss der Bürgerschaft einem CDU-Papier zur Rettung der Meere zustimmen. Mehr Schutzgebiete, geringere Fischfangquoten, mehr regenerative Energien – Vieles las sich da wie Alt-Forderungen von Öko-Fundamentalisten. Nicht ganz so gnädig gingen die grünen Parteikollegen in Niedersachsen gestern mit den „Juister Thesen zum Umwelt- und Klimaschutz“ um, die die CDU-Landtagsfraktion bei einer Klausur auf der Nordsee-Insel verfasst hatte.

Anstatt sich zu freuen, dass auch die Bürgerlichen das Megathema Umwelt erkannt haben, wurde da der Grünen-Fraktionschef persönlich: Sein CDU-Amtskollege David McAllister sei ein „umweltpolitischer Dreikäsehoch“, sagte Stefan Wenzel. Sollte wohl heißen: Hoppla, Christdemokraten, Ihr wildert in unserer Marke herum. Das gefällt den Grünen gar nicht – schon gar nicht acht Monate vor der Landtagswahl.

Die CDU-Fraktion hatte formuliert, der „Erhalt der Lebensgrundlagen“ sei eine „wertkonservative Aufgabe“, Nachhaltigkeit „fester Bestandteil christlich-demokratischer Politik“. „Bisher“, entgegnete Wenzel, habe sich die CDU zwischen Harz und Heide „über Ökologie eher lustig gemacht und Umweltschützer als Spinner betrachtet“.

Dabei könnte auch Wenzel wohl einige der CDU-Thesen unterschreiben: „Der Klimawandel ist die zentrale Herausforderung unserer Zeit“, hatte McAllister erklärt. Bei Nichtstun drohten „weltweit erhebliche Veränderungen der Natur sowie massive soziale und ökonomische Verwerfungen.“ Auch in Niedersachsen gebe es mehr Hochwasserkatastrophen, Orkanschäden und Sturmfluten, und die Politik müsse auf steigende Meeresspiegel, höhere Temperaturen und die Dürre im Osten des Landes reagieren. Ergo lautete die Forderung: mehr Geld für Hochwasser- und Küstenschutz – und keine Elbvertiefung. Neues CDU-Motto: „Investitionen heute sind günstiger als Reparaturen morgen.“ Wie zum Beweis hatten CDU und FDP am Tag zuvor 2,75 Millionen Euro für den Bau von Deichen vor den Nordseeinseln zur Verfügung gestellt.

Nur „verbal“ habe sich die CDU mittlerweile „ein grünes Kostüm“ verpasst, schnaubte gestern Wenzel. Politisch aber habe die Partei den Kurswechsel „nicht vollzogen“ – und schon gar nicht der FDP-Umweltminister Hans-Heinrich Sander. Zum Glück fand Wenzel doch noch letzte fundamentale Gegensätze: in der Energiepolitik. Zwar will die CDU den Anteil erneuerbarer Energien von derzeit fünf Prozent bis 2020 auf 25 Prozent erhöhen – fünf mehr als die EU. Allerdings könne man ihr zufolge „auf absehbare Zeit“ auf Kernenergie nicht verzichten, um die Stromversorgung zu sichern. So bald wie möglich will die Union zudem im Schacht Konrad radioaktiven Müll eingelagert und Gorleben weiter erkundet sehen. Und das, so Wenzel, sei jawohl „alles andere als ein Neuanfang“. KAI SCHÖNEBERG