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Archiv-Artikel

Mobilität der Studierenden ist eine Illusion

Ab Morgen wird auf der fünften „Bologna“-Konferenz weiter über den europäischen Hochschulraum debattiert. Einheitliche Standards sollen die Studenten zur Mobilität bewegen. Doch eine Studie zeigt: Gerade die Europa-kompatiblen Abschlüsse wie der Bachelor halten die Leute im Lande

Nur noch zweieinhalb Jahre, dann wird das hehre Ziel eines europäischen Hochschulraumes Wirklichkeit. Ab 2010 sollen Finnen in Rumänien studieren können, Rumänen in Zypern, Zyprioten in Deutschland und Deutsche in Finnland, und jeder von ihnen soll allerorten Studienabschlüsse und Qualitätsstandards vorfinden, die mit denen in ihrer Heimat vergleichbar sind. Nichts soll der Mobilität des akademischen Nachwuchses in einer globalisierten Welt im Weg stehen.

Allerdings: Noch hapert es in Deutschland mit der Mobilität. Mindestens 20 Prozent der Studierenden sollten eine Weile im Ausland studieren – das wünscht sich nach offizieller Verlautbarung das Bundesbildungsministerium (BMBF). Viel mehr, erklärte der BMBF-Vertreter Peter Greisler in der vergangenen Woche bei einer Konferenz in Berlin, wären allerdings viel besser: Das Ziel sind 50 Prozent. Auf der Konferenz „GoOut!“von BMBF und Deutschem Akademischem Austauschdienst (DAAD) wurden die Anwesenden dann aber ernüchtert. Von 5.000 im Januar befragten Studierenden hatten 23 Prozent Auslandserfahrungen – nur jeder zweite davon als Immatrikulierter. Die andere Hälfte hatte sich für einen Sprachkurs, eine Exkursion oder ein Praktikum ins Ausland gewagt.

Die Studie „Internationale Mobilität von Studierenden“, die das Hannoveraner Hochschul-Informations-System (HIS) im Auftrag des DAAD erstellt hat, zeigt noch etwas: Ausgerechnet die Europa-kompatiblen Studienabschlüsse halten die Studentinnen und Studenten im Lande. Wer sich nämlich für einen sechssemestrigen Bachelor (BA) entscheidet – und das soll in Zukunft die Mehrheit sein –, schafft es in der kurzen Zeit nicht, das Land zu verlassen.

Von den vom HIS befragten BA-Studierenden hatten an den Universitäten lediglich 15 Prozent Auslandserfahrungen, an den Fachhochschulen waren es gar nur 9 Prozent. Wer doch an eine ausländische Universität ging, konnte meist prompt die Regelstudienzeit nicht einhalten. Und: Jeder dritte BA-Student, der im Ausland war, wechselte nicht mal freiwillig. Sondern weil es so in seiner Studienordnung vorgeschrieben ist.

Gut 35 Prozent haben überhaupt nicht vor, ins Ausland zu gehen; die Hälfte führt „finanzielle Schwierigkeiten“ zur Begründung an. Laut HIS fehlt den Studenten Unterstützung durch die Hochschulen. Und immer noch sei die Vergleichbarkeit der Studierleistungen aus dem Ausland kompliziert.

Unter Europas Bildungsministern ist „Bologna“ längst Konsens: Aus den 29 Bildungsministern, die 1999 beschlossen, einen europäischen Hochschulraum zu schaffen, sind 45 geworden; morgen wird Montenegro als 46. Land hinzukommen. Von Albanien bis Zypern setzen sich die zuständigen Minister in Bewegung. Am Donnerstag und Freitag ziehen sie in London auf der fünften Bologna-Folgekonferenz Bilanz des bisher Erreichten.

In Deutschland legten Bundesbildungsministerium und Kultusministerkonferenz bereits Anfang Mai einen nationalen Zwischenbericht vor. Mehr als 48 Prozent der Studiengänge sind demnach inzwischen auf Bachelor und Master umgestellt. Bei nahezu zwei Dritteln wird das europäische Credit-Punktesystem ECTS angewendet.

JEANNETTE GODDAR