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Archiv-Artikel

Gabriel gibt Biblis A keine Gnadenfrist

Der Bundesumweltminister lehnt verlängerte Laufzeit für das alte AKW ab und beruft sich dabei auf das Atomgesetz. Nicht nur der Betreiber RWE ist unzufrieden. Auch Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Glos finden die Entscheidung falsch

AUS BERLIN STEPHAN KOSCH

Der Energiekonzern RWE darf seinen Atommeiler Biblis A voraussichtlich nicht länger laufen lassen als im Atomausstiegsvertrag von 2001 vorgesehen. Einen entsprechenden Antrag hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) zunächst abgelehnt. Jetzt hat der Konzern vier Wochen Zeit, Gabriel doch noch von seiner Rechtsauffassung zu überzeugen. Das dürfte ihm allerdings schwerfallen. Das Gutachten, das RWE zur Begründung beigelegt hatte, nannte Gabriel „rechtsfehlerhaft und abwegig“. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sehen das zwar anders, haben aber keine direkte Entscheidungsgewalt.

RWE hatte im September beantragt, Reststrommengen des stillgelegten Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich auf Biblis A zu übertragen, das voraussichtlich 2009 vom Netz gehen soll. Eine solche Übertragung gibt das Atomgesetz nach Auffassung Gabriels aber nicht her. Denn das nennt explizit sieben Reaktoren, auf die Strommengen von Mülheim-Kärlich verschoben werden können, um damit ihre eigene Laufzeit zu verlängern. „Biblis A ist nicht dabei“, sagte Gabriel. Dies sei auch bei RWE bekannt, deshalb erstaune ihn der Antrag.

Die Sichtweise des Bundesumweltministeriums hat Signalwirkung für einen weiteren Antrag, den der Energiekonzern Vattenfall kürzlich gestellt hatte. Das Unternehmen will seinen Meiler in Brunsbüttel ebenfalls länger am Netz halten und dazu Strommengen aus Mülheim-Kärlich nutzen. Auch Brunsbüttel zählt nicht zu den sieben im Atomgesetz genannten Reaktoren. Beide Anträge seien vergleichbar, sagte Gabriel. Über Brunsbüttel werde aber erst nach der Sommerpause entschieden. Offenbar war sich RWE der wackeligen Basis seines Antrages bewusst. Denn der Konzern stellte noch einen so genannten Nebenantrag. Danach soll Biblis A länger laufen, indem Stromkontingente aus dem neueren AKW Emsland angezapft werden. Dieser Antrag werde ebenfalls nach der Sommerpause entschieden, sagte Gabriel.

Doch auch hier sieht es zurzeit für RWE schlecht aus. Grundsätzlich ist es zwar möglich, Stromkontingente von neueren auf ältere Anlagen zu übertragen. Dazu muss das antragstellende Unternehmen aber nachweisen, dass das ältere Kraftwerk den gleichen Sicherheitsstandard aufweist wie das neuere. RWE habe einen solchen Nachweis angekündigt, sagte Gabriel. Bisher liege er aber nicht vor.

Auch die von der CDU regierten Bundesländer Hessen und Niedersachsen, die für die Sicherheitsüberprüfungen der beiden Atommeiler zuständig sind, hätten einen vereinbarten Gesprächstermin abgesagt. „Man muss den Eindruck gewinnen, dass RWE und die beiden Länder den Sicherheitsvergleich scheuen.“

RWE will vor Gericht ziehen, wenn der Antrag endgültig abgelehnt wird. Dabei wird der Konzern auch aus der Bundesregierung unterstützt. Denn im Kanzleramt und im Wirtschaftsministerium ist man anderer Meinung als Gabriel. Dort hält man die von RWE beantragte Übertragung für möglich. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte, dass die Entscheidung über eine Ablehnung zwar beim Umweltministerium liege. Er gehe aber davon aus, dass nach einer Lösung auf Fachebene der Regierung gesucht wird. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hatte in früheren Stellungnahmen auf ein Mitentscheidungsrecht gepocht.