: Ansätze eines muslimischen Feminismus
Frauenrechtlerinnen sehen zwischen Islam und Frauenbewegung keinen Widerspruch: „Nehmt Männern den Koran!“
KÖLN taz ■ Lale Akgün gab sich kämpferisch: „Die Meinungsdominanz der Männer muss gebrochen werden“, forderte die Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion zum Abschluss der internationalen Konferenz „Woman in Islam – between Oppression and (Self-)Empowerment“ gestern in Köln.
170 islamische Frauenrechtlerinnen seien sich einig in ihrer „eindeutigen Absage an Fundamentalismus und diejenigen, die unsere Rechte beschneiden wollen“, betonte die türkischstämmige Abgeordnete bei der Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie waren aus den Niederlanden und dem Sudan, aus der Schweiz und Indonesien, aus den USA und Nigeria, aus Frankreich und Marokko, aus Israel oder dem Libanon gekommen: Auf ihrer dreitägigen Konferenz versuchten feministische Musliminnen Strategien für die Gleichberechtigung im islamischen Kontext entwickeln. Alle verband der Anspruch, „den Islam mit weiblichen Augen zu sehen“, wie es Akgün formulierte: „Wir haben die Möglichkeit, zu sehen, dass Islam und Frauenbewegung kein Widerspruch sind.“
Im Gegensatz zu der unheiligen Phalanx aus Islamisten und westlichen Islamkritikern, die beide von einer Nichtreformierbarkeit dieser Religion ausgehen, zeigten sich die Konferenzteilnehmerinnen überzeugt davon, dass eine zeitgemäße und „weibliche“ Interpretation des Islam möglich ist. „Radikale, konservative Islamvorstellungen sind leider immer noch sehr populär in der Bevölkerung“, konstatierte die Malaysierin Zarizana Abdul Aziz. Dagegen müssten Frauen jedoch ihre feministische Auslegung des Koran setzen: „Gerechtigkeit ist das wichtigste Prinzip des Koran.“ So besteht aus Sicht der Anwältin denn auch ein Unterschied zwischen der im Grundsatz nicht frauenfeindlichen Religion und den Einflüssen einer von Männern dominierten patriarchalen Gesellschaft.
Die aus Ägypten stammende Niederländerin Nahed Selim, Autorin des Buches „Nehmt den Männern den Koran!“, plädierte demgegenüber dafür, Frauen benachteiligende Passagen im Koran einfach außer Acht zu lassen. So hätten schließlich alle islamisch geprägten Staaten mittlerweile die Sklaverei abgeschafft, obwohl im heiligen Buch der Muslime durchaus noch von Sklaven die Rede sei. „Dasselbe sollte für frauenfeindliche Verse gelten“, forderte Selim. Die Menschen bräuchten ein ethisch-religiöses Konzept, das ihnen Orientierung gebe, und keine wörtlich zu nehmenden Schriften, die sie einengten. Eine Position, die allerdings manchen dann doch zu weit ging.
Nach 1.400 Jahren männlicher Dominanz im Islam stünde die feministische Bewegung in der muslimischen Welt erst am Anfang, räumte Akgün an. „Wir brauchen gut ausgebildete Frauen, die die Vereinbarkeit von Demokratie, Frauenrechte und Islam vorleben“, forderte sie. Die „unglaubliche Fülle“ an Projekten hätten ihr dabei Hoffnung gemacht. Die Veranstaltung sei als Auftakt zu einer verstärkten Vernetzung, kündigte sie an. „Diese junge feministische islamische Bewegung braucht und verdient jede Unterstützung.“
PASCAL BEUCKER