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Archiv-Artikel

Unsere Allerbesten

RANKING Was ist besser an Günter Grass als etwa an Herta Müller?

Es soll Schriftsteller geben, die süchtig nach Bedeutung sind. Ihre Bedeutung ermitteln sie, indem sie die Anzahl ihrer Google-Nennungen durch das aktuelle Amazon-Bestsellerranking dividieren. Nur wer oft genannt wird und viel verkauft, ist nachweislich etwas: ein guter Schriftsteller, ein besserer Schriftsteller, ja, einer „unserer Besten“. Unter dieser Überschrift präsentiert der aktuelle Focus „die 50 wichtigsten Autoren des deutschen Sprachraums“.

Das Qualitätssiegel „Unsere Besten“ errechnet sich sehr simpel als Summe aus Markt und Medien, Geld und Aufmerksamkeit. Es besteht zu je 25 Prozent aus Verkaufszahlen und Presseberichterstattung und 20 Prozent Fernsehpräsenz. Weitere 15 Prozent tragen Preise und Auszeichnungen bei und je 5 Prozent Empfehlungslisten, Fachmedien und der Google-News-Index. Wer die Relevanz-Verhältnisse genau so festgelegt hat, bleibt jedoch unklar. Warum zählen Presse und Fernsehen so viel mehr als neue Medien im Internet? Ist das nicht reichlich konservativ?

Und warum landet Günter Grass bei allen Erhebungen dieser Art auf Platz 1, obwohl seine Bücher seit der „Blechtrommel“ immer schlechter geworden sind? Wenn er wie neulich in Göttingen ein scheußliches, selbst entworfenes Denkmal für die „Göttinger 7“ enthüllt, bringt ihm das Relevanzpunkte ein – reicht das schon, um die Tabellenspitze zu verteidigen? Was ist besser an Grass als an Herta Müller auf Platz 3, Cornelia Funke auf 4 oder Alexander Kluge auf Rang 42? Und wie ließen sich so unterschiedliche Qualitäten überhaupt miteinander vergleichen?

Bedeutung könnte ja auch davon abhängen, dass jemand im Zweifelsfall einfach mal die Klappe hält. Das wäre allerdings eine Qualität, die den Platz auf der Liste gefährdet. Botho Strauß, der seine uckermärkische Abgeschiedenheit nur noch selten durch kryptische Wortmeldungen in der FAZ unterbricht, hat es gerade noch auf Platz 49 geschafft. Aber mehr will er gar nicht!

Martin Walser erklärt schon seit Jahren, dass er sich nicht mehr zum öffentlichen Meinungsbekunden hinreißen lassen möchte – tut es aber trotzdem immer wieder. Er ist also gewissermaßen gegen seinen Willen auf Platz 2 gelandet. Vielleicht sind unsere Allerbesten aber gerade die Autoren, die dort überhaupt nicht vorkommen. Das spräche dann weniger für die dauerengagierte Juli Zeh auf Platz 19 als für Durs Grünbein, der behauptet, es komme ihm nicht auf Lesermassen an, sondern nur darauf, „den Einzelnen zu erreichen“. Das klingt wahrhaft am edelsten und besten. Grünbein steht aber immer noch auf Platz 30. JÖRG MAGENAU