Der Hindukusch, wie er singt und lacht

Die Bremer Musical Company ist erprobt in Sachen „kultureller Truppenbetreuung“. Kommende Woche fliegt sie nach Afghanistan. Auch im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina hat sie bereits für gute Stimmung gesorgt. Wissenschaftler erkennen einen Trend zum „Militainment“

VON HENNING BLEYL

In vier Tagen geht’s los: Thomas Blaeschke und seine MitstreiterInnen von der „Bremer Musical Company“ (BMC) fliegen in einer Transall-Maschine der Bundeswehr nach Kabul. Eine Woche lang wird das Ensemble im Rahmen der „kulturellen Truppenbetreuung“ eingesetzt. Zwei Konzerte finden auch in Masar-i-Scharif in Nord-Afghanistan statt, wo seit kurzem die deutschen Tornado-Kampfflugzeuge stationiert sind. „Mit unseren Besuchen möchten wir den Soldaten, die an den Festtagen fernab von Heimat und Familie ihren Dienst leisten, ein bisschen Abwechslung und Entspannung bieten“, kommentiert Blaeschke den Einsatz seiner Muscial-Truppe.

Die BMC ist ein privat finanziertes Ensemble. Vor gut einem Jahr erregte sie Aufsehen, als sie das Pleite gegangene plattdeutsche Bremer Theater übernahm – ein Akt, der bei dem stattlichen Gebäude mit 500 Plätzen als ökonomisch mutig galt.

Bei dem Afghanistan-Engagement gehe es keineswegs um Geld, betont Blaeschke. Im Gegenteil: Die Gage sei so gering, dass nun dringend Sponsoren gebraucht würden. Nicht einmal die Versicherung für den Ausstattungstransport übernehme die Bundeswehr. Bei „Kruppthyssen“ und dem in Bremen sitzenden Rüstungskonzern „Atlas Elektronik“ hat Blaeschke bereits vergeblich angefragt. Auch „Beck‘s“ habe kein Marketinginteresse entwickelt, bedauert der Company-Chef.

Für Major d. R. Sören Lingenberg ist der bevorstehende Auftritt der BMC in Kabul „eine große Nummer“. Lingenberg leitet das Referat Öffentlichkeit bei der EAS, der „Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung in der Bundesrepublik Deutschland“. Die letzten vier Worte des Vereinsnamens haben sich mittlerweile relativiert: Seit dem Ifor-Einsatz 1996 in Bosnien ist die „Einsatzbetreuung“ im Ausland für die EAS zum stetig wachsenden Aufgabenfeld geworden.

Trotzdem betreibe die EAS keine „offensive Anwerbung“ von Künstlern, sagt Lingenberg – dafür seien die jeweiligen Auftrittsmodalitäten zu unsicher: „Bei entsprechenden Sicherheitslagen müssen Konzerte immer wieder, auch sehr kurzfristig, abgesagt werden.“ So viel Hin und Her könne nicht jedem zugemutet werden.

Die BMC hat sich aus Lingenbergs Sicht durch ihr intensives innerdeutsches Engagement bewährt. Seit acht Jahren treten die SängerInnen regelmäßig in den Soldatenheimen der EAS auf. Auch in Prizren und Sarajevo hat die BMC gesungen. „Das waren wunderbare Erfahrungen“, sagt Blaeschke. Sein Ensemble sei seither „eingereiht in die Tradition von Marlene Dietrich und Marylin Monroe“.

Natürlich ist die BMC nicht die einzige Künstlerformation, die bei Auslandseinsätzen für gute Stimmung sorgen soll. Xavier Naidoo, Peter Maffay und der Country-Liedermacher Gunter Gabriel („Es steht ein Haus im Kosovo“) sind bereits in die Transall gestiegen.

Auch Peter Strucks Auftritt 2003 in Pristina soll unter den Soldaten immer noch für Gesprächsstoff sorgen. Kostümiert als „Blues Brother“ hatte der damalige Verteidigungsminister, zusammen mit der Cover-Band „Heart&Soul“, Harry Belafontes „Matilda“ zum Besten gegeben.

Nichtsdestotrotz hinkt das Kulturbudget der Bundeswehr der Zunahme der Auslandseinsätze hinterher. In Kabul etwa gibt es nur alle zwei, drei Monate ein Konzert. Genaue Zahlen liegen weder der Presseabteilung des Verteidigungsministeriums vor, noch der in St. Augustin angesiedelten Medienzentrale der Streitkräfte oder dem Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam („Moment – ich muss zu meinem General“).

Die BMC hat durch ihre regelmäßigen Auftritte ein gutes Standing bei der Truppe. Im Rahmen des jetzigen Einsatzes im Mittleren Osten wird sie die kulturelle Betreuung der deutschen Fliegerstaffel im usbekischen Termez eröffnen. „Bei der BMC wissen wir, dass echte Profis am Werk sind, die die Soldaten für zwei Stunden in eine andere Welt versetzen“, sagt Lingenberg.

Das musikalische Programm sei „abgestimmt“, aber nicht reglementiert, versichert der Reservemajor. Im Gegensatz zur Praxis bei den US-Streitkräften oder den niederländischen Truppen gelte jedoch: „Alles, was in den schlüpfrigen Bereich geht, ist nicht erwünscht, zumindest nicht offiziell.“

Was also werden die 3.000 SoldatInnen im Kabuler Lager konkret zu hören bekommen? Geplant ist ein „buntes Programm“ aus „Evita“, „Starlight Express“ und „Les Misérables“. Auch Stücke aus Blaeschkes eigenen Kompositionen werden aufgeführt. „Nur ,Mörder, Mörder‘ aus ,Maria Stuart‘ wäre wahrscheinlich nicht so angebracht“, sagt eine BMC-Mitarbeiterin. Gefragt seien eben die „Swinging Stücke“.

In den Magazinen der Bundeswehr sind solche Konzerte ein wichtiges Thema mit aufwändigen Bildstrecken. In den allgemeinen Medien hingegen ist die Renaissance der künstlerischen Truppenbetreuung selten präsent. „Bislang werden die Verflechtungen zwischen kulturellen Akteuren und Akteurinnen und Militär in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen“, sagt Tanja Thomas, die an der Lüneburger Universität Kommunikationswissenschaften lehrt. Dabei sei diese Form des „Militainment“ auf dem Vormarsch. Auch der Kieler Soziologe Fabian Virchow konstatiert: „Die Bundeswehr ist an kontinuierlicher Kooperation interessiert, die nicht nur in die Truppe, sondern als Imagewerbung auch in die Gesellschaft wirken soll.“

Bei Blaeschke klingt das schlichter: „Die Konzerte werden mit unglaublich viel Dankbarkeit und Begeisterung aufgenommen, was uns zu einem regelmäßigen Engagement in Friedensgebieten bewegt hat.“