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Archiv-Artikel

daumenkino „Shooting Dogs“

Mit diesem Film stimmt etwas nicht. Dabei spricht er Wahrheiten aus, holt verdrängte Verbrechen ans Tageslicht und nimmt alles in allem eine ehrenwerte Haltung ein.

In „Shooting Dogs“ von Michael Caton-Jones geht es um unseren zwiespältigen Umgang mit Krisenstaaten in Schwarzafrika. Um die Ignoranz, mit der die westliche Welt 1994 in Ruanda einen Völkermord geschehen ließ, dem 800.000 Menschen zum Opfer fielen. In einer der dramatischsten Szenen des Films ziehen die UN-Blauhelme aus Ruanda ab. Auf ihren Lastwagen dürfen sie nur weiße Zivilisten außer Landes bringen. Zurück bleiben die Tutsi: Frauen, Männer, Kinder. Sie wissen, dass vor den Toren der École Technique Officielle, die ihnen bisher als Refugium diente, der Tod wartet. Schon sieht man die Hutu mit ihren Macheten drohen und in Erwartung des großen Abschlachtens grölend auf und ab springen.

In diesen Schnittwechseln zwischen Tätern und Opfern liegt ein grundsätzliches Erzählproblem. Es betrifft den Umgang mit all den afrikanischen Kriegen und Konflikten, die in letzter Zeit so häufig auf der Leinwand auftauchen. Ob in „Hotel Ruanda“, „Sometimes in April“ oder jetzt in „Shooting Dogs“ – letztlich bekommen Afrikas Gesichter keine Geschichte. Hutu und Tutsi bleiben auch bei Caton-Jones eine weitgehend anonyme Masse. Wenn die Tutsi ihre Essensrationen am Fluchtort selbst einteilen wollen, betrachtet der junge idealistische Lehrer aus England sie wohlwollend wie lernfähige Schüler. Nur zwei, drei von ihnen wird man mit Namen kennen lernen, doch sie bleiben reine Funktionsträger, Vorbereitungsmaterial für dramaturgische Kniffe. Etwa die junge Marie, die zu Beginn des Films Marathon trainiert. Man ahnt, dass die Ausdauer ihr später einmal das Leben retten wird. Der junge Hutu, der schon lange für den Priester Christopher (John Hurt) arbeitet, darf zwar aus der Menge herausragen, aber nur um uns vorzuführen, wie schnell man vom Nachbarn zu Nachbars Mörder werden kann. Es stellt sich die Frage, warum ein Film, in dessen Zentrum doch eigentlich ein UN-Auftrag steht, der es den Soldaten zwar erlaubte, Leichen fressende Hunde zu erschießen, aber keine Mörder zu bedrohen, mit solchen Alibi- und Betroffenheitsfiguren aufwarten muss.

„Shooting Dogs“ erzählt nicht, wie es zu den Massakern kommen konnte, nichts über den Hass, die Hintergründe, die Geschichte hinter dem Genozid. Mörder und Opfer sind nur Kulisse für unser schlechtes Gewissen. In Erinnerung bleibt ein großer mysteriöser und damit letztlich austauschbarer Hottentottenschlamassel. ANKE LEWEKE

„Shooting Dogs“. Regie: Michael Caton-Jones, Buch: David Wolstencroft, mit John Hurt, Hugh Dancy, Dominique Horwitz, Louis Mahoney, Großbritannien/Deutschland 2005, 114 Min.